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847. Nacht

Der Kalif befahl sogleich, dem Komakom die Bastonade zu
geben. Nach etlichen Streichen bekannte derselbe, er wäre der Urheber des
Diebstahls, und wurde ins Gefängnis geworfen.

Der Kalif argwöhnte, dass der Emir Chaled mit Komakom im
Einverständnis wäre, und wollte auch ihn verhaften lassen.

„Unumschränkter Beherrscher der Gläubigen,“
sagte der Wali, „ich bin unschuldig an dem Verbrechen, dessen Ihr mich in
Verdacht habt: Ich habe nur Euren Befehl vollzogen, als ich Alaeddin zum Tode
führte, und ich schwöre Euch, dass ich keine Kenntnis von der gegen ihn
angezettelten Verräterei habe. Achmed Komakom wird diese scheußliche List
ersonnen haben, um sich der Sklavin Jasmin zu bemächtigen: Aber ich habe
durchaus keine Kenntnis davon.“

Der Wali wandte sich hierauf zu Aslan und sagte:
„Wenn Ihr erkenntlich seid für die Liebe, welche ich Euch beweisen, und
für die Sorgfalt, welche ich seit Eurer Kindheit bis auf diesen Tag für Euch
gehegt habe, so kommt es Euch zu, sich für mich zu verwenden.“

Der Jüngling, gerührt von der Lage, worin er seinen
Wohltäter sah, beeilte sich, die Gnade des Kalifen für ihn anzuflehen.

Der Fürst fragte, was aus Jasmin, der Mutter Aslans,
geworden wäre. Als er vernahm, dass sie stets bei ihm geblieben, sagte er zu
ihm:

„Befiehl Deiner Gattin, sie dem Rang gemäß, welchen
ihr Gemahl einnahm, kleiden zu lassen und ihr auf der Stelle die Freiheit zu
geben. Du selber gehe hin und nimm die Siegel ab, welche Du an Alaeddins Palast
gelegt hast, und lass seinem Sohn all seine Habe und alle seine Reichtümer
wiedergeben, welche er besaß.“

Der Wali vollzog pünktlich die Befehle des Kalifen. Er
begab sich nach seinem Haus und gebot seiner Frau, Jasmin in Freiheit zu setzen
und sie standesgemäß zu kleiden. sodann ging er selber hin, die Siegel von
allem Besitztum Alaeddins abzunehmen, und übergab alle Schlüssel des Palastes
an Aslan.

Der Kalif, noch nicht zufrieden mit dieser Handlung der
Gerechtigkeit, forderte Aslan nochmals auf, sich eine Gnade zu erbitten, welche
er ihm auf der Stelle gewähren wollte.

Auf Aslans Antwort, dass er nur noch eins zu wünschen
hätte, nämlich, seinen Vater wieder zu sehen, sagte der Fürst mit Tränen in
den Augen: „Ach, mein Sohn, Dein Vater ist nicht mehr! Wie sehr wünschte
ich selber, dass er noch am Leben wäre, und wie gern gewährte ich demjenigen,
der mir diese gute Neuigkeit verkündigte, alles, was er von mir bäte!“

Bei diesen Worten hatte sich Achmed Aldanaf dem Kalifen zu
Füßen geworfen und sagte:

„Unumschränkter Beherrscher der Gläubigen, darf ich
ohne Furcht sprechen?“

„Du darfst es,“ antwortete der Fürst.

„So wage ich, Euer Majestät zu versichern, dass
Alaeddin Abulschamat noch lebt und sich vollkommen wohl befindet.“

„Was sagst Du?“, rief der Kalif aus, indem er
vor Erstaunen zurückfuhr.

„Herr,“ fuhr Aldanaf fort, „ich schwöre
Bei Eurem geheiligten Haupt, dass ich die Wahrheit sage. Ich habe Alaeddin dem
Tod entrissen, indem ich einen Verbrecher anstatt seiner hinrichten ließ, und
ich habe ihn nach Alexandrien gebracht und ihm dort einen Laden gekauft.“

„Ich will ihn sehen,“ sagte der Kalif entzückt
vor Freuden, „eile sofort nach Alexandrien und führe ihn hierher.“

Achmed Aldanaf verneigte sich tief, indem er bezeugte,
dass er bereit wäre zu gehorchen, und dass ihm kein angenehmerer Auftrag
erteilt werden könnte. Der Fürst ließ ihm eine Börse mit tausend
Goldstücken zustellen, und Achmed machte sich sogleich auf den Weg nach
Alexandrien.

Alaeddin Abulschamat unterdessen beschäftigte sich damit,
die mannigfaltigen Waren seines Ladens zu verkaufen. Er hatte schon eine große
Menge davon angebracht, als er in einem ziemlich dunkeln Winkel einen kleinen
Beutel aus Leder bemerkte. Er hob ihn auf, schüttelte ihn und sah einen
kostbaren Stein herausfallen, der wohl so groß war, dass er die hohle Hand
füllte, und an einer kleinen goldenen Kette hing. Dieser Stein hatte fünf
Flächen, auf deren jeder Namen und magische Charaktere eingegraben waren, nicht
unähnlich den Spuren, welche die Füße der Ameisen auf dem Sand zurücklassen.
Alaeddin war überrascht, hier ein solches Kleinod zu finden, und erkannte bald,
dass es ein Talisman wäre; aber er mochte die fünf Flächen reiben, so viel er
wollte, kein Geist erschien zu seinen Befehlen. Verdrießlich, dass alle seine
Versuche vergeblich waren, hängte der den Stein in seinen Laden auf und dachte
über die Lage nach, in welcher er sich befand.