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846. Nacht

Unter diesen Rittern befand sich ein heimlicher
Abgesandter der Feinde des Kalifen, welcher in der Absicht gekommen war, ihn zu
töten. Er ergriff eine Kugel und schlug sie aus allen seinen Kräften, indem er
gerade auf das Antlitz des Fürsten zielte, Aslan, achtsam auf alles, was in der
Nähe des Kalifen vorging, wandte den Wurf ab und schlug die Kugel mit solcher
Gewalt auf den zurück, der sie ausgeschlagen hatte, dass er ihn mitten auf die
Brust traf und ihn von seinem Ross hinabstürzte.

Der Kalif erkannte die Gefahr, in welcher er geschwebt
hatte, und sagte ganz laut:

„Gesegnet sei derjenige, dem ich das Leben
verdanke!“

Das Spiel hörte sogleich auf. Alle Offiziere stiegen vom
Pferd, und als man Stühle gebracht hatte, befahl der Kalif, ihm den Verwegenen
vorzuführen, der es gewagt, die Kugel auf ihn selber zu richten.

„Ritter,“ sagte er zu ihm, „wer hat Dich
dazu verleitet, einen solchen Frevel zu verüben? Bist Du Freund oder
Feind?“

„Feind,“ antwortete trotzig der Ritter,
„und ich wollte Dir ans Leben.“

„Weshalb?“, fragte der Prinz. „Du bist also
kein wahrer Muselmann?“

„Nein, nicht Muselmann, wie Du es verstehst,“
antwortete er, „aber ich rühme mich, ein Anhänger Alis zu sein.“

Bei diesen Worten befahl der Kalif, von Abscheu erfüllt,
ihn auf der Stelle hinzurichten. Sodann wandte er sich z Aslan und sagte:
„Braver Jüngling, ich verdanke Dir das Leben, erbitte Dir von mir eine
Gnade.“

„Unumschränkter Beherrscher der Gläubigen,“
sagte Aslan, indem er sich ehrfurchtsvoll verneigte, „ich flehe Euch an,
mich an dem Mörder meines Vaters zu rächen.“

„Aber da ist ja Dein Vater,“ erwiderte der
Fürst, indem er auf den Emir Chaled zeigte, „und Gott sei Dank, er
befindet sich wohl.“

„Ihr seid im Irrtum, Herr,“ versetzte Aslan,
„der Emir Chaled ist nur mein Pflegevater: Ich bin der Sohn des
unglücklichen Alaeddin Abulschamat.“

„Der Sohn eines Verräters!“, sagte heftig der
Kalif.

„Mein Vater,“ antwortete Aslan, „war
niemals ein Verräter, vielmehr der treueste und ergebenste Eurer Diener.“

„Hat er mir nicht meinen Mantel und meine kostbarsten
Kleinodien gestohlen?“, sagte der Kalif.

„Unumschränkter Beherrscher der Gläubigen,“
sagte Aslan mit Selbstgefühl, „mein Vater war niemals ein Dieb. Ich bitte
Euer Majestät, mir zu sagen, ob der goldene mit Edelsteinen geschmückte
Leuchter sich unter den Kleinodien befand, welche man Euch wiederbrachte?“

„Ich habe ihn niemals wiedererlangen können,“
antwortete der Kalif, verwundert über diese Frage.

„Wohlan, Herr,“ fuhr Aslan fort, „ich habe
diesen Leuchter in den Händen Achmed Komakoms gesehen. Ich habe ihn darum
gebeten; aber er hat mir ihn nicht geben wollen. „Dieser Leuchter,“
sagte er, „hat schon jemand das Leben gekostet.“

Hierauf erzählte nun Aslan dem Kalifen die Leidenschaft
Habdalums, Sohns des Emirs Chaled, zu der jungen Sklavin Jasmin und seine
Krankheit infolge der selben, auf welche Weise dann Achmed Komakom aus dem
Gefängnis gekommen, und wie er den königlichen Mantel, den goldenen Leuchter
samt den übrigen Kleinodien gestohlen. „Herr,“ fügte er hinzu,
„ich beschwöre Euch also noch einmal bei allem, was heilig ist, mich an
dem Meuchelmörder meines Vaters zu rächen!“

Der Kalif gab sogleich Befehl, den Achmed Komakom zu
verhaften und ihm denselben vorzuführen. Als er diesen Verbrecher erblickte,
wandte er sich zu seiner Leibwache und suchte Achmed Aldanaf mit den Augen. Da
er ihn nicht sah, fertigte er jemand ab, ihn zu holen, und als er erschien,
befahl er ihm, den Komakom zu durchsuchen.

Als Aldanaf mit der Hand in Komakoms Busen fuhr, zog er
den goldenen mit Edelsteinen geschmückten Leuchter hervor. Bei diesem Anblick
rief der erzürnte Kalif aus:

„Verräter, woher hast Du dieses Kleinod?“

„Ich habe es gekauft,“ antwortete Komakom mit
frecher Stirn.

„Du bist ein Lügner,“ sagte der Fürst mit
Abscheu, „um Alaeddin Abulschamat, den treuesten meiner Diener, zugrunde zu
richten, hast Du einen solchen Frevel verübt.“