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839. Nacht

Als der Wali ihm seinen Auftrag bekannt gemacht hatte,
sagte Alaeddin zu ihm:

„Ihr könnt herein treten und in meinem Haus alle Euch
gut dünkenden Untersuchungen vornehmen.“

„Ich bitte Euch tausend mal um Entschuldigung,
Herr,“ sagte der Wali etwas verlegen. Ihr seid über allen Verdacht
erhaben, und Gott verhüte, dass ein Mann wie Ihr sich solcher Treulosigkeit und
Verräterei schuldig machen könnte!“

„Richtet Euren Auftrag aus,“ erwiderte Alaeddin,
„keine Rücksicht kann Euch davon entbinden.“

Der Wali, die Richter und die Zeugen traten also in
Alaeddins Haus unter Anführung Komakoms, der ihre Untersuchung nach dem Zimmer
leitete, in welches er in jener Nacht sich eingeschlichen hatte. Als er sich der
Marmorplatte näherte, unter welcher er die von ihm selber entwendeten Sachen
verscharrt hatte, ließ er absichtlich seinen eisenbeschlagenen Stock darauf
niederfallen, so dass sie in Stücke zersprang. Als nun der Emir Chaled etwas
Glänzendes darunter erblickte, rief er aus:

„Der Himmel selber hat unsere Schritte nach dieser
Stelle geleitet; denn wir entdecken hier einen Schatz, der Euch gehört: Kommt
näher und seht, worin er besteht.“

Alle Leute des Walis hatten sich um ihn versammelt, und
als man die entwendeten Sachen erkannt hatte, wurde eine Verhandlung darüber
aufgesetzt, welche besagte, dass diese Sachen in dem Haus Alaeddins Abulschamat
verscharrt gefundne wären. Die Leute des Walis fielen hierauf über Alaeddin
her, rissen ihm den Turban ab, und nachdem sie ihm die Hände auf den Rücken
gebunden hatten, versiegelten sie alle seine Sachen.

Achmed Komakom verlor nicht das eigentliche Ziel seiner
Unternehmung aus den Augen. Er stieg schleunig nach dem Zimmer der schönen
Jasmin hinauf, entführte sie daraus mit Gewalt, obwohl sie schwanger war, und
brachte sie zu seiner Mutter, der er befahl, sie auf der Stelle den Händen
Chatums, der Frau des Walis, zu überliefern: Was auch sogleich ausgeführt
wurde.

Als Habdalum Besasa diejenige erblickte, in die er so
sterblich verliebt war, fühlte er seine Kräfte sich herstellen und ließ die
lebhafteste Freude blicken. Er wollte sich ihr nahen, um ihr sein Vergnügen
über ihren Anblick kundzugeben. Aber Jasmin, voll Unwillen, sagte zu ihm, wenn
er sich nicht auf der Stelle entfernte, so stände sie nicht für die Folgen,
welche sein Anblick ihr einflößte.

„Ich würde mich eher Töten,“ rief sie aus,
„als einem solchen Ungeheuer angehören, wie Du bist!“

„Schöne Jasmin,“ sagte Habdalum am ganzen Leib
zitternd, „ich flehe Euch an, unternehmt nichts gegen ein Leben, das mir so
teuer ist.“

Die Frau des Walis wollte auch die heftige Bewegung, worin
sie Jasmin sah, besänftigen und sagte zu ihr mit Freundlichkeit:

„Duldet, schöne Sklavin, dass mein Sohn Euch ganz
seine glühende Leidenschaft zu erkennen gebe, welche Ihr ihm eingeflößt habt.
Er kann nicht mehr leben ohne Euch.“

„Elender,“ rief Jasmin aus, „kann ich denn
zugleich zweien Herren gehören? Und seit wann dürfen die Hunde ungestraft die
Wohnung des Löwen betreten?“

Habdalum Besasa sank vor Verzweiflung auf ein Sofa nieder
und ließ mehr als jemals für sein Leben fürchten. Bei diesem Anblick ging die
Frau des Wali wutschnaubend auf die Sklavin los und sagte zu ihr:

„Elende, Du willst mich also meines Sohne berauben?
Aber Du sollst Dich nicht lange meiner Langmut erfreuen: Bald wird Dein Alaeddin
sein Leben schmachvoll an einem Galgen beschließen.“

„Wohlan,“ rief Jasmin aus, „ich werde mich
glücklich schätzen, ihm meine Liebe zu beweisen, indem ich ihm ins Grab
nachfolge.“