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823. Nacht

Zugleich spornte er sein Pferd und sprengte mit
verhängten Zügeln hinter Alaeddin drein.

Alaeddin bemerkte jetzt vor sich ein Wasserbecken, bei
welchem eine Zisterne war: Er kletterte schnell die Mauer dieser Zisterne hinan,
streckte sich darauf aus und lag, als wenn er schliefe: Er empfahl sich Gott und
bat ihn, ihn allen Blicken zu entziehen. Als der Beduine sich ihm genaht und in
seinen Steigbügeln emporgehoben hatte, um ihn zu ergreifen, tat Alaeddin
abermals ein Gebet, wie er eben getan hatte, alsbald schlüpfte ein Skorpion aus
seinem Loch und stach den Beduinen so heftig in die Hand, dass er sogleich
seinen Kameraden rief und ihnen zuschrie, er wäre des Todes. Die Räuber
rannten herbei, und da sie ihn auf der Erde hingestreckt fanden, setzten sie ihn
wieder auf sein Pferd und erkundigten sich nach dem Unfall, der ihm zugestoßen
wäre.

Als sie vernahmen, dass er von einem Skorpion gestochen
worden, fürchteten sie, die Gegen wäre ganz voll davon, und warne nur auf ihre
Flucht bedacht. Sie führten schleunig ihren Spießgesellen mit sich hinweg und
begaben sich wieder zu der übrigen Bande, welche alsbald verschwand.

Alaeddin aber, der ganz erschöpft von der Anstrengung
war, schlief auf der Mauer des Wasserbehälters fest ein.

Unterdessen hatte Mahmud Albalchy nach dem ungestümen
Ausbruch Alaeddins auch sein Gepäck aufladen lassen und seinen Weg nach Bagdad
fortgesetzt. Angelangt in dem Löwenwald, empfand er eine gewisse Freude bei dem
Anblick der Leichname, womit er die Erde bedeckt sah. Als er sich dem
Wasserbecken nahte, beugte sein Maultier sich hinab, seinen Durst zu stillen.
Aber plötzlich, als es den Schatten Alaeddins darin erblickte, fuhr es zurück.
Mahmud schlug die Augen auf und erblickte Alaeddin in Hemd und Unterhosen auf
dem Rand der Zisterne schlafend. Er weckte ihn auf und fragte ihn, wer ihn doch
in einen so traurigen Zustand versetzt hätte. Als Alaeddin ihm gesagt hatte, es
wären die Beduinenaraber gewesen, tröstete ihn der alte Kaumann, bat ihn
herabzukommen und ließ ihn eins seiner Maultiere besteigen. Sie setzten so
mitsammen den Weg nach Bagdad fort, wo sie bei guter Zeit anlangten.

Mahmud führte Alaeddin in sein Haus und ließ ihm ein Bad
bereiten. Nach dem Bad führte er ihn in ein Zimmer, welches überall von Gold
strahlte und mit prächtigem Gerät versehen war.

„Die Araber haben Euch alles geraubt,“ sagte er
zu ihm, „Ihr habt Eure Reichtümer und Euer Gepäck verloren: Aber wenn Ihr
gelehrig sein wollt, so will ich Euch mehr Reichtum wiedergeben, als Ihr
besaßt.“

Man trug ein köstliches Abendessen auf. Mahmud und
Alaeddin setzten sich zu Tisch. Nach der Mahlzeit näherte sich der alte
Kaufmann dem Jüngling und wollte ihn umarmen: Dieser aber stieß ihn zurück
und sprach zu ihm mit Festigkeit:

„Ich glaubte, Euch schon hinlänglich den Abscheu zu
erkennen gegeben zu haben, welchen solche Zumutungen mir einflößen, um Euch zu
nötigen, davon abzustehen.“

Mahmud, ohne sich schon abschrecken zu lassen, wähnte
noch, die unglückliche Lage Alaeddins benutzen zu können, und gab ihm zu
verstehen, dass die Kleidung, das Maultier und die Waren, welche er ihm geben
würde, wohl eine Gegengefälligkeit verdienten.

„Behalte Deine Kleider, Dein Maultier und Deine
Waren,“ antwortete Alaeddin stolz, „und lass mir Deine Türe öffnen,
damit ich mich für immer aus Deiner Gegenwart entferne.“

Mahmud, durch Alaeddins Entschlossenheit außer Fassung
gebracht, ließ ihm die Türe öffnen.

Als Alaeddin einige Schritte in der Straße getan hatte,
befand er sich bei einer Moschee und trat unter ihre Vorhalle. Nach einiger Zeit
erblickte er in der Ferne ein Licht, welches sich gegen seinen Zufluchtsort hin
zu bewegen schien. Bald erkannte er, dass dieses Licht von zwei Leuchten
herrührte, welche zwei Kaufleuten vorgetragen wurden, von denen der eine ein
Greis von würdiger Gestalt und der andere ein Jüngling war.

„Mein teurer Oheim,“ sagte der junge Mann,
„gebt mir meine Nichte wieder!“