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822. Nacht

Kemaleddin glaubte nun, nicht länger widersprechen zu
dürfen, und sagte zu Alaeddin:

„Handelt nunmehr nach Eurem Gefallen. Ich habe Euch
die Vorstellungen gemacht, welche ich für meine Pflicht hielt Euch zu machen.
Ich fürchte, Ihr werdet nur zu spät erkennen, wie gut ich Euch geraten
habe.“

Alaeddin befahl, die Maultiere zu entladen und die Zelte
aufzuschlagen.

Um Mitternacht war er genötigt aufzustehen und erblickte
etwas Glänzendes in der Ferne. Er ging sogleich hin, seinen Führer davon zu
benachrichtigen, und fragte ihn, was es wohl sein könnte. Kemaleddin stand auf,
und als er es genau beobachtete, erkannte er, dass der Schein von dem Blinken
der Lanzen und Schwerter herrührte, mit denen ein Haufen Beduinenaraber
bewaffnet war.

Sie sahen sich bald umringt von den Räubern, welche auf
sie mit dem Geschrei losstürzten: „Glück auf! Gute Beute!“

Kemaleddin seinerseits rief ihnen entgegen: „Hinweg
von hier, ehrlose Räuber, ihr elendsten und nichtswürdigsten der Araber!“

Und zu gleicher Zeit trat er ihnen entgegen; aber der
Anführer des Haufens, genannt Scheich Aglan Abu Nab, gab ihm einen so heftigen
Stoß mit der Lanze, dass die Spitze durch die Brust hinten wieder hinausfuhr
und er am Eingang seines Zeltes tot niederstürzte. Der Sakka oder Diener, der
das Tränken der Tiere zu besorgen hat, welcher sich hierauf mit demselben
Ausruf und lautem Schimpf den Räubern entgegenstellte, wurde von einem Araber
mit dem Säbel in den Hals getroffen und zu seinen Füßen tot hingestreckt.

Alaeddin, bei diesem Anblick von Schrecken ergriffen,
blieb unbeweglich in einem Winkel seines Zeltes und entging der Wut der Räuber.
Die Beduinen metzelten erbarmungslos alle seine Leute nieder, beluden schleunig
wieder die Maultiere, banden eins an den Schwanz des andern und machten sich
davon.

Als Alaeddin wieder zur Besinnung gekommen war, sprach er
bei sich selber: „Die Räuber können zurückkommen und werden mich nicht
verschonen, wenn sie mich erblicken.“ Er zog also seine Kleider aus,
behielt nur sein Hemd und die Unterhosen an und warf sich so auf den Boden
mitten unter die blutigen Leichen, von denen die Erde bedeckt war.

Indem die Beduinen sich mit ihrer Beute entfernten, fragte
sie Abu Nab, ob die Karawane, welche sie eben angegriffen hatten, von ägypten
oder aus Bagdad käme; und als sie ihm gesagt hatten, sie käme von ägypten,
forderte er sie auf, nach dem Schlachtfeld zurückzukehren; „denn,“
sagte er, „ich argwöhne sehr, dass der Herr dieser Karawane nicht tot
ist.“

Die Beduinen kehrten auf der Stelle zurück und fingen an,
die Leichname umzudrehen und mit der Spitze ihrer Lanzen zu stechen. Als sie an
Alaeddin kamen, rief einer von ihnen, der bemerkte, dass er noch lebte:

„Ha, ha! Du hast Dich also tot gestellt: Aber wart‘,
ich will Dich alsbald abfertigen!“

Mit diesen Worten schickte er sich an, ihm seine Lanze in
die Brust zu stoßen.

In diesem entscheidenden Augenblick gewahrte Alaeddin, der
eben ein heißes Stoßgebet zu dem heiligen Abdalkader Algilani empor geschickt
hatte, eine Hand, welche die Lanze des Beduinen von seiner Brust auf die seines
Führers Kemaleddin richtete. Der Beduine riss seine Lanze zurück und stieß
abermals auf Alaeddin; aber dieselbe Hand richtete den Stoß auf die Brust des
Sakka; und der Räuber, im Wahn, sein Schlachtopfer getroffen zu haben, begab
sich wieder zu seinen Spießgesellen, welche sich eiligst aus dem Staub machten.

Als Alaeddin den Kopf wieder aufgehoben und bemerkt hatte,
dass die Araber mit ihrer Beute verschwunden waren, stand er auf und fing an,
aus allen seinen Kräften zu laufen. Abu Nab war in diesem Augenblick umgekehrt
und rief aus:

„Kameraden, ich sehe jemand entfliehen!“ Einer
der Räuber verließ sogleich die Bande und schrie aus allen Kräften:

„Du magst immer fliehen, ich werde Dich schon bald
eingeholt haben!“