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818. Nacht

„Dieser Jüngling, der Euch begleitet,“
antwortete der Nakib, „hat ihre Blicke beleidigt. Ihr seid doch schon
bejahrt und nehmt den ersten Rang unter den Kaufleuten ein. Dieser junge Mensch
ist kein Sklave und gehört auch Eurer Frau nicht an: Ihr tut unrecht, ihm so
öffentlich Eure Zuneigung zu beweisen.“

„Was sagst Du, Unglücklicher!“, rief
Schemseddin aus, „so wagst Du von meinem Sohn zu reden?“

„Aber,“ sagte Nakib, „wir haben niemals
gehört, dass Ihr ein Kind habt.“

„Das kommt daher,“ erwiderte Schemseddin,
„weil ich die feindseligen Blicke der Neidischen für ihn fürchtete und
ihn in einem unterirdischen Gemache erziehen ließ. Meine Absicht war, ihn nicht
eher daraus hervorgehen zu lassen, als bis ihm der Bart völlig gewachsen wäre:
Aber seine Mutter hat ihn nicht länger darin lassen wollen und gestern mich
gebeten, ihm einen Laden einzurichten und ihn im Handel zu unterrichten.“

Als der Nakib dies vernommen hatte, beeilte er sich, die
Kaufleute wieder zu versammeln und mit ihnen zu dem Vorsteher zu gehen, um das
gewöhnliche Kapitel vor ihm zu lesen. Sie waren alle hocherfreut über das, was
sie in Betreff dieses Jünglings vernahmen, und brachten ihre Wünsche für die
Glückseligkeit des Vaters und des Sohnes dar. Einer unter ihnen wandte sich zu
Schemseddin und sagte, die Armen hätten bei der Geburt eines Sohnes oder einer
Tochter die Gewohnheit, zum Zeichen ihrer Freude ihre Verwandten und Freunde auf
eine Suppe einzuladen.

Schemseddin verstand, was der Kaufmann damit sagen wollte,
und antwortete, seine Absicht wäre auch, sie alle in einem Garten zu bewirten.

Er ließ demnach am folgenden Morgen einen Saal gleicher
Erde und ein Oberzimmer in seinem Garten mit Gerät versehen und alles zu einem
großen Feste Nötige dorthin schaffen. Er befahl, zwei Tische zu bereiten,
einen im Saal und den andern im Oberzimmer; und nachdem er seinen Gürtel
angelegt und seinem Sohn gebeten hatte, auch den seinen anzulegen, sagte er zu
ihm:

„Sowie die Alten kommen, werde ich sie empfangen und
sie an die Tafel im Oberzimmer sich setzen lassen: Du, mein Sohn, wirst dafür
sorgen, die jungen Leute, sowie sie erscheinen, zu empfangen und sie an die
Tafel im untern Saal Platz nehmen lassen.“

„Warum aber, mein Vater,“ sagte Alaeddin,
„habt Ihr zwei Tafeln berieten lassen, eine für die Väter und die andere
für die Kinder?“

„Damit,“ antwortete Schemseddin, „die
jungen Leute unter sich mehr Freiheit haben und auch die Alten gemächlicher
beisammen seien.“

Alaeddin, der sich mit dieser Antwort begnügte, beeiferte
sich, die Befehle seines Vaters zu erfüllen und in dem Saal der jungen Leute
den Wirt zu machen.

Die Mahlzeit war mit Pracht und Verschwendung angerichtet,
und die Gäste ergötzten sich höchlich. Nachdem man den Sorbet eingenommen
hatte und geräuchert war, begannen die Alten, sich so über verschiedene
Gegenstände der Geschichte und Literatur zu unterhalten.

Während dieser Unterhaltung stieg ein Kaufmann namens
Mahmud Albalchy, der dem äußern nach fromm, aber im Grunde des Herzens gottlos
und verderbt war, in den Saal zu den jungen Leuten hinab. Hier sah er den
Alaeddin, wurde von seiner Schönheit gereizt und entbrannte für ihn in die
schändlichste Leidenschaft. Er bedachte sogleich, dass er mit diesem Jüngling
nicht Bekanntschaft machen könnte, solange er bei seinem Vater wäre, und
beschloss also, ihm die Lust zu reisen einzuflößen, indem er sich vorsetzte,
ihm auf dem Fuß zu folgen und Gelegenheit zum Umgang mit ihm zu suchen.