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809. Nacht

Die Alte war ziemlich erstaunt, aber noch mehr
geschmeichelt durch dieses Vertrauen, und fragte Naama, ob er wirklich der Herr
der schönen Sklavin wäre. Als dieser es ihr beteuert hatte, gestand sie ihm,
dass Naam unaufhörlich von ihm redete. Als der junge Mann ihr alle seine
Abenteuer erzählt hatte, war die Alte innig gerührt, und versicherte ihn, sie
würde von ganzem Herzen daran arbeiten, sie beide wieder zu vereinigen. Sie
bestieg sogleich wieder ihr Maultier, und ritt eilig nach dem Palast zurück.

„Beim Eintritt in das Zimmer der jungen Sklavin sah
die Alte sie lächelnd an, und sagte zu ihr:

„Ziemt es sich, Euch so zu betrüben, und krank zu
werden, aus Liebe zu Naama, dem Sohn Rabias aus der Stadt Kufah?“

„Großer Gott,“ rief Naam aus, „alles ist
entdeckt!“

„Beruhigt Euch,“ sagte die Alte zu ihr,
„ich werde das mir anvertraute Geheimnis nicht missbrauchen. Ich will Euer
beider Glück machen, und mein Leben wagen, um es durchzusetzen.“

Die Alte kam bald danach wieder zu Naama und sagte zu ihm:

„Ich komme von Eurer Sklavin, und habe mit ihr
gesprochen: Ihre Liebe zu Euch gibt der Eurigen zu ihr nichts nach und ihre
Unempfindlichkeit gegen die Leidenschaft des Kalifen beweist, dass nichts ihre
Standhaftigkeit zu erschüttern vermag. Ich habe einen Anschlag ersonnen,
welcher Euch gefallen wird, aber ihr müsst Euch, zur Ausführung desselben, mit
Kühnheit und Mut waffnen. Ich gehe, ein Mittel zu finden, um Euch in den Palast
des Kalifen zu bringen und Euch eine Zusammenkunft mit Eurer Sklavin zu
verschaffen, denn für sie ist das Herauskommen ganz unmöglich.“

„Gott segne Eure Absichten,“ sagte Naama,
„und belohne Euch, wie ihr es verdient!“

Die Alte verließ Naama, und kehrte nach dem Palast
zurück. Sie sagte der jungen Sklavin, ihr Herr hätte ihr soeben das
glühendste Verlangen sie zu sehen bezeigt, und fragte sie, wie sie in dieser
Hinsicht gesonnen wäre.

„Ich wünsche es ebenso heiß wie er,“ erwiderte
Naama seufzend.

Die Alte ging bald darauf wieder aus, mit einem Päckchen
unter dem Arm, in welches sie ein Perlenhalsband, Juwelen und alles zu einem
Frauenputz nötige gewickelt hatte. Sie begab sich eilig damit zu Naama, und bat
ihn, in das Hinterzimmer des Ladens zu treten, damit sie allein wären. Hier
bemalte sie ihm das Gesicht und die Arme, und färbte ihm die Haare. Sie ließ
ihn ein Frauenkleid und Hosen von Seide anziehen, legte ihm ein Stirnband an,
und putzte ihn völlig wie eine junge Sklavin des Harems heraus.

Als die Alte fertig war, beschaute sie Naama vom Kopf bis
zu den Füßen in dieser neuen Kleidung, und rief aus:

„Fürwahr, ich habe niemals eine so reizende Gestalt
gesehen: Er ist sogar schöner, als seine Sklavin. – Geht vor mir her,“
sagte sie hierauf zu ihm, „streckt die linke Seite voraus, und neigt ein
wenig die rechte, nehmt ein bekümmertes Wesen an, und lasst Euer Oberkleid
fliegen.“

Als sie ihn wohl unterrichtet hatte, und ihn imstande sah,
seine Rolle zu spielen, sagte sie noch zu ihm:

„Ich werde Euch morgen Abend abholen und in den
Palast führen. Fürchtet Euch nicht beim Anblick der Sklaven und ihrer
Befehlshaber. Behaltet Eure Fassung, senkt das Haupt, und redet niemand an: Es
ist meine Sorge, für Euch zu antworten.“