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808. Nacht

Sie bat die Alte, ihr eine Schilderung des Jünglings zu
machen, von welchem sie ihr soeben gesagt hätte. Diese beschrieb ihn nun
vollkommen, und sagte, er hieße Naama, und hätte ein Mal auf dem rechten
Augenlied, wäre auf die zierlichste Weise gekleidet, und seine Gestalt die
schönste, welche man nur sehen könnte.

Während dieses Gesprächs nahm Naam den Trank, und
lächelte bei den Zügen, womit die Alte ihre Schilderung verschönte.

„In Wahrheit,“ sagte sie, „dieser Trank tut
mir äußerst wohl. Er flößt mir Munterkeit ein, und ich fühle mich weit
besser.“

„O glücklicher Tag!“, rief die Alte aus,
„wie wohl habe ich getan, diesen Arzt zu befragen!“

Als Naam hierauf der Alten geäußert hatte, dass sie
etwas zu essen wünschte, rief die Alte hin, eine Sklavin zu rufen, und ließ
geschäftig die köstlichsten Speisen auftragen.

In diesem Augenblick trat der Kalif in das Zimmer der
jungen Sklavin und da er sie beim Essen sah, bezeigte er ihr sein Vergnügen
über ihre Genesung.

„Großmächtiger Beherrscher der Gläubigen,“
sagte die Alte zu ihm, „das Vergnügen, welches Euch die Herstellung Eurer
Sklavin gewährt, verdankt ihr einem Arzt, der neulich in dieser Stadt
angekommen ist. Niemand kennt besser, als er, alle Arten Krankheiten: Ein
einziges Mittel von ihm reicht hin, sie gründlich zu heilen.“

„Tragt,“ sagt der Kalif, „diesem Arzt einen
Beutel von tausend Goldstücken hin, für die von ihm vollbrachte Heilung.“

Der Kalif ging bald danach wieder hinaus, und die Alte
beeilte sich, dem persischen Arzt die tausend Goldstücke zu bringen. Bei
überreichung der Börse sagte sie ihm, dass die junge Schöne, welche er
geheilt hätte, nicht ihre Tochter, sondern die Lieblingssklavin des Kalifen
wäre. Sie übergab ihm zugleich einen Brief welchen Naam geschrieben hatte.

Der Arzt gab diesen Brief an Naama, der ihn mit einer
Unruhe und Gemütsbewegung empfing, welche schwer auszudrücken sind. Der Brief
lautet folgendermaßen:

„Die Sklavin, welche ihrer Glückseligkeit beraubt,
von der Höhe ihres Glückes gesunken, und von ihrem Vielgeliebten getrennt ist,
hat den von ihm gesendeten Brief empfangen, und antwortete ihm mit diesen
Versen:

„Beim Empfang Deines Briefes haben meine Finger von
selber die Antwort verzeichnet. Umströme Dich mit Wohlgerüchen, und überlass
Dich der Hoffnung!
Moses wurde seiner Mutter wiedergegeben, und der Rock Josephs wurde seinem Vater
heimgebracht.“

Beim Lesen dieser Verse waren die Augen des jungen Mannes
in Tränen gebadet. Die Alte gewahrte es, und bezeigte dem Arzt ihre
Verwunderung darüber.

„Wie sollte er nicht weinen?“, erwiderte der
Arzt, „diese junge Schöne ist seine Sklavin, welche er leidenschaftlich
liebt. Denn, verehrte Frau, ich muss Euch die Wahrheit bekennen, dieser junge
Mann ist nicht mein Sohn, sondern der Sohn Rabias aus der Stadt Kufah. Der
Brief, welchen er an Naam geschrieben, hat dieser jungen Schönen, die keine
andere Krankheit hat, als das Weh sich von ihrem geliebten Herrn getrennt zu
sehen, allein die Gesundheit wiedergeben können. Behaltet, liebe Frau, diese
tausend Goldstücke für Euch, und rechnet auf eine noch reichere Belohnung,
wenn Euer Herz sich von Mitleid mit diesem unglücklichen Liebenden rühren
lässt. Ihr seid die einzige Person, welche diese Verwicklung lösen kann, und
auf Euch sind alle unsere Hoffnungen gegründet.“