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806. Nacht

Er wandte sich alsdann zu Naama und fragte ihn nach seinem
Namen. Nachdem er vernommen hatte, dass er Naama hieß, rief er ihm zu:

„Wohlauf! Naama, erhebt Euch ein wenig, und habt
Vertrauen auf die Vorsehung, welche Euch unverzüglich wieder mit Eurer Sklavin
vereinigen wird. Unterdessen mäßigt Euren Gram, der Euch verzehrt, nehmt etwas
Nahrung zu Euch, und bemüht Euch, wieder zu Kräften zu kommen, um die
Beschwerden der Reise ertragen zu können, denn binnen acht Tagen müssen wir
uns auf den Weg machen.“

Der persische Arzt beschäftigte sich alsbald mit den
Vorbereitungen zur Reise. Er ließ sich Kostbarkeiten aller Art geben, forderte
noch sechstausend Zeckinen, um die Summe von zehntausend Zeckinen voll zu
machen, welche er zur Ausführung seines Entwurfs nötig erachtete, und ließ
die Pferde, die Kamele und alles nötige Gepäck in Bereitschaft setzen.

Nach Verlauf von acht Tagen sagte Naama seinen Vater und
seiner Mutter Lebewohl, und reiste mit dem persischen Arzt ab.

Sie hielten in Halep an, um Erkundigungen über die junge
Sklavin einzuziehen, aber sie konnten nichts von ihr erfahren. Als sie hierauf
in Damask angekommen waren, ruhten sie erst drei Tage aus.

Der persische Arzt mietete hierauf einen Laden, welchen er
mit der größten Pracht einrichtete: Er war mit Schränken umgeben, die mit
Goldplatten geziert und mit Gefäßen vom feinsten Porzellan besetzt waren. Die
Außenseite des Ladens war mit Kristallfläschen besetzt, welche köstliche
öle, Tränke und Säfte aller Art enthielten.

Der persische Arzt stelle nun mitten im Laden sein
Sternrohr und die Tafel hin, auf welcher er seine Berechnungen anstellte. Er
kleidete sich dann als Arzt, sehr prächtig, und ließ Naama ein Hemd von der
feinsten Leinwand, einen atlassenen mit Seide gestickten Rock, und einen Gürtel
von den glänzendsten Farben anlegen.

„Fortan,“ sagte er zu ihm, „müsst ihr mich
nur Euren Vater, und ich werde Euch nur meinen Sohn nennen.“

Alles Volk von Damask strömte der Bude des persischen
Arztes zu, um den Reichtum und die Zierlichkeit derselben zu bewundern, und vor
allen um Naama zu sehen, der alle Welt durch die Schönheit und Regelmäßigkeit
seiner Züge bezauberte. Der Perser redete zu dem jungen Mann nur türkisch, und
dieser antwortete ihm auch nur in derselben Sprache. Man sprach bald in der
ganzen Stadt nur von dem persischen Arzt. Von allen Seiten kam man herbei, um
ihn über allerlei Krankheiten zu befragen, und er hatte Mittel für alle. Aus
der bloßen Beschauung des Harns der Kranken erkannte er die Art der Krankheit,
von welcher sie befallen waren, gab Heilmittel dagegen, und schrieb ihnen
Verhaltensregeln vor. Er wurde binnen kurzer Zeit das Orakel aller Welt. Sein
Ruf verbreitete sich durch die ganze Stadt, und drang bis in die Paläste der
Großen.

Eines Tages, als er beschäftigt war, seine Arzneien zu
bereiten, hielt eine alte Frau auf einem Maultier, dessen Sattel mit Silber
gestickt war, vor seinem Laden an, und machte ihm ein Zeichen, er möchte kommen
und ihr beim Absteigen behilflich sein. Der persische Arzt trat höflich zu ihr
heran, reichte ihr die Hand, und führte sie in seinen Laden.

„Mein Herr, ihr seid ohne Zweifel,“ sprach sie
zu ihm, „der persische Arzt, welcher kürzlich aus Arabien in dieser Stadt
angekommen ist?“

Auf seine bejahende Antwort eröffnete sie ihm, sie hätte
eine Tochter, welche von einer gefährlichen Krankheit befallen wäre, und
zugleich überreichte sie ihm ein Gefäß mit dem Harn der jungen Kranken.