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804. Nacht

Naama begab sich nun nach dem Zimmer seiner Mutter, und
fand sie mit dem Haupt auf beide Hände gestützt, in der Stellung des tiefsten
Nachdenkens.

„Meine Mutter,“ rief er aus, „Wo ist Naam?“

„Mein Sohn,“ antwortete sie ihm, „sie ist
so wohl aufgehoben, als wenn sie bei mir wäre: Sie ist mit der guten Alten
ausgegangen, um die Armen zu besuchen, und sie muss gleich wieder
heimkommen.“

„Sie pflegt doch nicht so auszugehen,“ erwiderte
lebhaft Naama, „und um welche Zeit ist sie weggegangen?“

„In der Morgenstunde,“ antwortete sie.

„Wie, meine Mutter, habt Ihr ihr diese Erlaubnis
geben können?“

„Sie hat es so sehr gewünscht, mein Sohn.“

Naama verließ, ganz außer sich, wieder das Haus, und
ging zu dem Befehlshaber der Wache.

„Habt ihr,“ sprach er, als er ihn traf,
„durch eine treulose Hinterlist mir meine Sklavin entführen lassen? Aber
ich will hingehen, mich bei dem Kalifen zu beklagen, und ihn von Eurem Betragen
unterrichten.“

„Wer hat Euch denn Eure Sklavin entführt?“,
fragte der Befehlshaber der Wache.

„Eine alte Frau, so und so aussehend, in einen
grobwollenen Rock gehüllt, und gewöhnlich mit einem Rosenkranz in der
Hand.“

Der Befehlshaber erkannte in dieser Schilderung die Alte,
deren sich der Statthalter manchmal bediente, und vermutete, dass sie nur auf
dessen Befehl gehandelt hätte, aber die Klugheit verbot ihm, Naama etwas davon
merken zu lassen.

„Führt mich zu dieser Frau,“ sagte er zu ihm,
„und ich will Euch Eure Sklavin wieder herausgeben lassen.“

„Ich weiß nicht, wo sie wohnt,“ sagte Naama.

„Wenn dem so ist,“ fuhr der Befehlshaber fort,
„wie soll man sie da entdecken? Gott allein weiß, wo sie sein mag.“

„Ihr könnt wohl,“ entgegnete Naama, „mir
meine Sklavin wieder finden helfen, und ich gehe zum Statthalter, meine Klagen
gegen Euch bei ihm anzubringen.“

Naama begab sich wirklich nach dem Palast Hedschadsches.
Da sein Vater einer der vornehmsten Einwohner von Kufah war, so fand er bald
Zutritt.

„Was wollt Ihr, Naama?“, fragte ihn Hedschadsche,
sobald er ihn erblickte.

Naama erzählte, was ihm soeben widerfahren war.
Hedschadsche ließ den Befehlshaber der Wache kommen, und fragte ihn, wo wohl
die Sklavin Naamas, Rabias Sohn, sein könnte.

Der Befehlshaber hütete sich wohl, sich merken zu lassen,
er wüsste, dass die Alte die Sklavin entführt hätte, sondern antwortete, dass
Gott allein das Verborgene kund wäre.

„Steigt zu Pferd,“ befahl ihm Hedschadsche,
„bereitet sorgfältig die Wege, und sucht überall die ihrem Herrn so teure
Sklavin.“