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803. Nacht

Seine Gemahlin bezeigte ihm ihr Vergnügen, eine Nachricht
zu hören, welche ihm so angenehm zu sein schien.

Die Schwester des Kalifen war unterdessen in das Zimmer
getreten, worin die junge Sklavin sich befand, und sobald sie dieselbe
erblickte, rief sie aus:

„Der Herr, dem ihr angehört, hätte noch keinen
schlechten Handel gemacht, und wenn er Euch sogar mit hunderttausend
Goldstücken bezahlt hätte!“

Naam, ohne auf diese Worte zu achten, sprach zu ihr:
„Im Namen Gottes, edle Frau, habt die Gnade, mir zu sagen, wem dieser
Palast gehört, und wie die Stadt heißt, in welcher ich mich befinde?“

„Ihr seid,“ antwortete ihr die Prinzessin,
„in der Stadt Damask, und dies ist der Palast meines Bruders, des Kalifen
Abdalmelek ebn Mervan. Aber ihr fragt mich, als wenn Euch das alles unbekannt
wäre?“

„In Wahrheit, hohe Frau,“ antwortete Naam,
„es ist mir durchaus unbekannt.“

„Wie?“, fuhr die Prinzessin fort, „hat denn
derjenige, der Euch verkauft und den Preis Eurer Freiheit in Empfang genommen,
Euch nicht unterrichtet, dass der Kalif Euch gekauft hat?“

Bei diesen Worten überflossen Tränenströme das
Angesicht der jungen Sklavin. Sie verfluchte die schändliche Arglist, deren
Opfer sie war, und sagte bei sich selber: „Wenn ich es auch sage, so wird
doch niemand mir glauben wollen, und vielleicht werde ich bald von demjenigen
zurückgefordert, der allein ein Recht auf mich hat.“

Da Naam von der Reise äußerst ermüdet schien, so ließ
die Schwester des Kalifen sie den ganzen übrigen Teil des Tages ausruhen. Am
folgenden Morgen brachte sie ihr Wäsche, Kleider und ein Halsband von Perlen
und Armbänder, und wollte, das sie sich in ihrer Gegenwart damit schmückte.

Während sie hierbei geschäftig waren, trat der Kalif
ein, und setzte sich neben Naam nieder, welche sogleich ihr Gesicht mit beiden
Händen bedeckte. Nachdem die Prinzessin ihrem Bruder die Schönheit und
Vollkommenheiten seiner neuen Sklavin gerühmt hatte, bat er diese, ihm nicht
den Anblick so vieler Reize zu entziehen. Naam aber achtete nicht auf die Bitten
des Kalifen und blieb standhaft in derselben Stellung: Aber ihre, den Blicken
des Fürsten bloß gegebenen Arme entzündeten in ihm die heftigste Leidenschaft.
Er sagte zu seiner Schwester, er würde in drei Tagen wiederkommen, und fügte
hinzu:

„Ich hoffe, diese junge Schönheit wird Bekanntschaft
mit Dir machen, und empfänglicher für die Liebe sein, welche sie mir
einzuflößen gewusst hat.“

Als der Kalif hinausgegangen war, begann Naam über ihre
Lage nachzudenken und die Trennung von ihrem Herrn zu beseufzen. Am Abend
ergriff sie ein Fieber. Sie wollte keine Nahrung genießen und bald entstellten
sich ihre Züge und ihre Schönheit.

Der Kalif, von ihrem Zustand benachrichtigt, war darüber
höchst bekümmert. Er ließ die geschicktesten ärzte holen, und führte sie zu
der jungen Sklavin, aber keiner von ihnen konnte den Ursprung ihrer Krankheit
entdecken, noch Mittel finden, sie zu lindern.

Der Zustand Naamas war vollkommen derselbe, wie der seiner
Sklavin. Als er zu Hause kam, setzte er sich auf ein Sofa, und rief seiner
geliebten Naam. Da sie nicht antwortete, so stand er schleunig auf, und rief
noch stärker: Aber niemand erschien, denn alle Sklaven hatten sich, aus Furcht
vor dem Zorn ihres Herrn versteckt.