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799. Nacht

„Du hast Recht, sie so zu nennen, denn Du bist
glücklich, dass Du eine so liebliche kleine Tochter hast. Aber wir müssen ihr
auch einen Namen von unserer Wahl geben.“

„Wie willst Du,“ sagte Rabias Gattin zu ihrem
Mann, „dieses Kind nennen?“

„Ich überlasse es Dir,“ antwortete er.

„Ich habe Lust,“ fuhr sie fort, „es Naam zu
nennen.“

„Gut, es sei,“ erwiderte Rabia, „dieser
Name gleicht dem unsres Naama. Du konntest keinen wählen, der passender und mir
angenehmer wäre.“

Naama und Naam wurden nun bis zum zehnten Jahr miteinander
aufgezogen, nahmen wetteifernd an Schönheit und Vollkommenheit zu, und gaben
sich gegenseitig die süßen Namen Bruder und Schwester.

Danach nahm Rabia seinen Sohn beiseite, und sprach zu ihm:

„Mein Sohn, Naam ist nicht Deine Schwester, sondern
Deine Sklavin. Ich habe sie für Dich gekauft, als Du noch in der Wiege lagst:
Du musst sie fortan nicht mehr Deine Schwester nennen.“

„Wenn das ist,“ erwiderte der Jüngling,
„so kann ich sie ja heiraten.“

Naama lief sogleich hin zu seiner Mutter, ihr diese
Neuigkeit und seinen gefassten Entschluss zu verkünden.

„Mein Kind,“ sagte diese gute und, wie ihr
Gemahl, allen Wünschen ihres Sohnes willfahrende Mutter, „Naam ist Deine
Sklavin, und Du kannst nach Deinem Belieben mit ihr schalten.“

Naama war zufrieden mit dieser Antwort, und drang nun
darauf, sich mit ihr ehelich zu verbinden. Er wurde sterblich verliebt in sie,
und verlebte mit ihr mehrere Jahre in der süßesten und innigsten Vereinigung.

Naam verdiente in der Tat die Liebe ihres Mannes. Sie
verband mit einer reizenden Gestalt und einem zierlichen Wuchs ein sanftes und
liebenswürdiges Gemüt und einen durch die sorgfältigste Erziehung
ausgebildeten Geist. Sie las mit unendlicher Anmut, und spielte allerlei
Instrumente. Ihre rührende Stimme bewegte alle Herzen, wenn sie sich mit der
Zither oder dem Tamburin begleitete, welche sie so vollkommen spielte, dass sie
die besten Meister ihrer Zeit übertraf. Kurz, Naam konnte mit Recht für die
schönste und vollkommenste Frau in Kufah gelten.

Eines Tages, als sie bei ihrem Gatten saß, und beide
miteinander Sorbet genossen, begann sie, nach einem Vorspiel auf ihrer Zither,
folgende Worte zu singen:

„Weil ein edelmütiger Herr mich mit seinen Wohltaten
und seinen Gunstbezeigungen überhäuft, so darf ich fortan kein Unfall mehr
fürchten: Er ist mein Schwert und mein Schild.
Er allein macht mein Glück: Was kümmern mich die übrigen Menschen?“

Naama bezeigte seiner Gattin sein inniges Vergnügen, sie
singen zu hören, und bat sie, fort zu fahren, indem sie sich mit dem Tamburin
begleitete.

Sie sang also weiter:

„Ja, ich schwöre es bei dem Leben desjenigen, der
meine Seele beherrscht, ich will die Hoffnung derjenigen vereiteln, die seine
Glückseligkeit beneiden: Ich werde stets seinen geringsten Wünschen gehorsam
sein.
Ich werde mich unaufhörlich des Glücks freuen, ihn zu besitzen, und seine
Liebe wird nimmer aus meinem Herzen kommen.“