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766. Nacht

Während alles dieses vorging, war der Kaufmann mit einem
Hemd und Kaftan nach der Grabstätte geeilt, wo er seine Frau gelassen hatte: Er
sucht, ruft, – niemand antwortet. Da konnte er seine Tränen nicht zurückhalten
und ließ seinen Seufzern freien Lauf:

„Großer Gott,“ rief er aus, „bin ich denn
so unglücklich, und muss vom Leid zur Freude übergehen, nur um von neuem
derjenigen beraubt zu werden, die mein Glück ausmachte? Sollte sie in die
Gewalt eines andern geraten sein? Ach, wenn das, was ich befürchte, wahr ist,
so bin ich noch weit unglücklicher, als zuvor. Ich zweifle nicht daran, ein
Vorübergehender, von ihren Reizen entzündet, wird sie wider ihren Willen
entführt haben. Ich sehe sie schon, wie sie mit ihrem Entführer ringt, meinen
Beistand anfleht und nach mir um Hilfe ruft.“

Voll dieser traurigen Vorstellungen machte der
unglückliche Kaufmann alle möglichen Anstrengungen, um den Räuber seiner
Adileh zu entdecken, und endlich vernahm er, dass sie sich in dem Harem des
Prinzen befände.

Ohne einen Augenblick zu verlieren, fliegt er nach dem
Palast, wirft sich dem Prinzen zu Füßen und beschwört ihn, ihm eine geliebte
Gattin wiederzugeben, welche er gefangen hielte.

„Was bedeutet diese Rede?“, fragte ihn der
Prinz, „niemals habe ich gar eine verheiratete Frau in meinem Harem
aufgenommen.“

Und als der Kaufmann standhaft behauptete, dass seine
geliebte Adileh sich in dem Palast befinden müsste, fügte der Prinz hinzu:

„Höre, ich will wohl, um Dich zu überzeugen, Dich
alle Frauen sehen lassen, welche sich in meinem Harem befinden: Aber wehe Dir,
wenn Du die Frau, welche Du suchst, nicht darunter findest, denn Du müsstest
Deine fürwitzige Neugier mit Deinem Kopf bezahlen.“

Der junge Kaufmann ließ sich gern diese Bedingung
gefallen, und erwiderte: „Ja! Prinz, und müsste ich tausend Leben
aufopfern, um sie wieder zu finden, so würde ich sie ohne Bedenken für die
zärtlichste, die liebevollste und treueste Gattin hingeben! Ach, ihr kennt
nicht den Schatz, welchen Euer Palast in sich schließt.“

Man ließ also alle Frauen des Harems vor den Augen des
Kaufmanns vorübergehen, und auf die Fragen des Prinzen antwortete er
verneinend, so lange er die seinige nicht darunter sah, aber sobald er seine
geliebte Adileh von ferne erblickte, rief er aus:

„Da ist sie, die ich verloren habe! Ich danke Euch,
Herr, für Eure Güte.“