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745. Nacht

„Nun wohl!“, erwiderte die Prinzessin, „so
gebt fortan alle Hoffnung auf, mir zu gefallen, weil Ihr nichts tut, was dazu
führen könnte.“

Der Geist war schon so leidenschaftlich verliebt in die
Prinzessin, dass er nicht den Mut hatte, ihren dringenden Bitten zu widerstehen.

„Wohlan denn, weil Ihr darauf besteht,“ sprach
er zu ihr, „so soll Eure Neugier befriedigt werden: Ich werde Euch zwar
nicht den verlangten Schlüssel geben, aber Euch dasjenige zeigen, was er
verschließt, und Ihr werdet sehen, dass dieser Gegenstand Eurer Neugier eben
nicht würdig ist.“

Sie durchschritten nun miteinander alle Gemächer und
kamen an einen dunkeln Winkel. Hier zog der Geist einen Schlüssel hervor,
welchen er sorgfältig in seinem Busen verborgen trug, und öffnete damit einen
eisernen Schrank, in dessen Hintergrund ein Säbel stand.

„Ihr seht,“ sprach er zu der Prinzessin,
„dass alles dieses kaum Eurer Beobachtung wert ist.“

„Dieser Säbel,“ versetzte sie, „muss von
sehr köstlicher Arbeit sein, weil Ihr ihn so sorgfältig bewahrt: Ich möchte
ihn wohl sehen.“

„Er hat gar nichts Ungewöhnliches,“ sagte der
Geist, „und es verlohnt nicht die Mühe, ihn Euch zu zeigen.“

„Eure Weigerung reizt mich nur desto mehr: Ihr werdet
mir doch diese letzte Bitte nicht versagen.“

Und sie bestand so sehr darauf, dass der Geist gezwungen
war, ihrer Bitte zu willfahren: Aber kaum sah sie den Säbel in ihrer Gewalt, so
schwang sie ihn dem Geist über dem Haupt und rief aus: „Elender, bereite
Dich zum Tode!“

Beim Anblick des Schwertes, auf welchem sein Todesurteil
geschrieben stand, war der Geist von Schrecken betroffen. Er warf sich der
Prinzessin zu Füßen und bat sie um Gnade, und sie erwiderte ihm, sie wollte
ihre Rache verschieben, wenn er ihr das Schicksal ihres Bruders Benasir
kundtäte.

Der Geist, um sein Leben zu retten, zeigte ihr den Ort an,
wo er versperrt war: Die Prinzessin eilte sogleich hin, indem sie sorgfältig
den Säbel bewahrte, welcher sie zur Herrin des ganzen unterirdischen Baues
machte.

Sie fand den jungen Prinzen von Persien der grimmigsten
Verzweiflung hingegeben, denn man hatte ihm angekündigt, dass er übermorgen
geopfert werden sollte.

Als die Prinzessin diesen Umstand vernahm, so war sie
ihres Unwillens nicht mehr mächtig und gab dem Geist den Todesstreich.

Sogleich verschwanden mit einem entsetzlichen Getöse die
Gemächer, in welchen sie sich befanden, und beide sahen sich wieder in die
Talschlucht versetzt, in welche sie bei ihrer Ankunft auf der afrikanischen
Küste sich herabgesenkt hatten.

Nach tausend Mühseligkeiten und Gefahren gelang es ihnen,
das Ufer des Meeres zu erreichen, wo sie sich nach Persien einschifften.

Hier vernahm nun Benasir das Geheimnis seiner Geburt. Es
wurden Gesandte zu dem Kaiser von China geschickt, um seine Einwilligung zu der
Vermählung seiner Tochter mit Benasir zu erbitten, und dieser wurde bald darauf
mit derjenigen vereint, welche ihm das Leben gerettet hatte.“

Nachdem Scheherasade diese Erzählung vollendet hatte,
begann sie in der folgenden Nacht auf die Aufforderung ihrer Schwester Dinarsade
und des Sultans von Indien die Geschichte Attafs von Damaskus.