Project Description

736. Nacht

„Ihr sollt wissen, mein Sohn, dass ich alle Jahre
Indien, mein Vaterland, verlasse und meines Handels wegen in dieses Land komme.
Ich bin nicht immer vor den Launen des Glückes geborgen gewesen. Die
Unbeständigkeit des Handelspiels und mannigfaltige Verluste, welche ich durch
Schiffsbrüche und andere Unfälle erlitten, haben mich bestimmt, einen großen
Teil meines Vermögens in Gold umzusetzen und es an einem sicheren Ort zu
verbergen, wo ich es im Notfall wieder finden kann. Ich habe alle Ursache, diese
Vorsicht nicht zu bereuen, denn bei meiner letzten überfahrt ist das Schiff,
auf welchem ich mich befand, durch einen so schrecklichen Sturm zerschlagen,
dass ich mich nur mit genauer Not gerettet habe. Nachdem ich nun alle meine
Waren verloren, so nehme ich zu dem Geld meine Zuflucht, welches ich in dem
Warenlager vergraben, das Ihr eingenommen, seitdem ich es geräumt habe. Ich
schmeichele mir, Ihr werdet mir erlauben, es wieder herauszunehmen.“

„Herr,“ erwiderte Jussuf, „Euer Gold ist in
Sicherheit. Ein sehr seltsamer Zufall hat mich zur Entdeckung desselben
geführt: Der Scherif von Mekka hat sich eines Teiles dieses Goldes zu den
Bedürfnissen des Staats bemächtigt, es mir aber mit der gewissenhaftesten
Genauigkeit zurückgezahlt. Ich habe alles wieder in dieselben Gefäße getan,
welche wieder an den Ort gebracht sind, wo man sie hervorgezogen hatte, und ich
bin bereit, sie Euch zuzustellen.“

Jussuf ließ sogleich den Schatz des Greises herbeibringen
und wollte ihm denselben zurückgeben. Dieser aber weigerte sich, ihn
anzunehmen. Er sagte, er fände ihn in zu guten Händen, und gab ihm in den
stärksten Ausdrücken seine Dankbarkeit und seine Bewunderung einer solchen
Redlichkeit zu erkennen.

Sie blieben den übrigen Teil des Abends beisammen,
tranken Sorbet und aßen Zuckerwerk, und ihre Unterhaltung verzog sich tief in
die Nacht. Als die Stunde des Schlafes gekommen war, legten sich beide in
Jussufs Hause auf kurze Zeit zur Ruhe. Am Morgen trennten sie sich, und jeder
ging seinen Geschäften nach. Aber gegen Abend kamen sie wieder zusammen, und
der Greis machte jetzt seinem Wirt einen Vorschlag, welchen dieser sogleich
annahm: Er sagte ihm, er wäre schon zu alt, um sich noch mit Geschäften
abzugeben, und hätte deshalb den Entschluss gefasst, in sein Land heimzukehren,
um es nie mehr zu verlassen, und dort erbot er sich, ihm seinen Handel
abzutreten und ihn auch zur Fortsetzung desselben dadurch auszurüsten, dass er
ihm den in seinem Warenlager gefundenen Schatz überlieferte.

Jussuf ging hierauf in seinen Harem, um seiner Frau das
freundliche Erbieten des Greises mitzuteilen. Sie billigte seinen Entschluss und
verlangte, dass sie vor seiner Abreise beide gegenseitig eine Schenkung aller
ihrer Güter auf den Todesfall errichteten. Der Vertrag hierüber wurde wenige
Tage vor Jussufs Abfahrt aufgesetzt und ihm eine Urkunde desselben
eingehändigt.