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730. Nacht

Diese Geschichte ergötzte den Sultan sehr. –
„Herr,“ fuhr Haram fort, „kürzlich ist einem Eurer benachbarten
Fürsten ein Abenteuer begegnet, welches nicht minder ergötzlich ist als das,
welches ich Euch eben erzählt habe. Ein Räuber und ein Taschenspieler seines
Landes wetteiferten miteinander in Kühnheit und Gewandtheit und hört, was
jeder von ihnen unternahm.“

Hierauf erzählte er dem Sultan den kühnen Streich Akils,
ja er trieb die Verwegenheit so weit, dass er dem Fürsten sogar erzählte, was
jetzt eben in dessen eigenem Palast vorging, indem er bloß die Namen und den
Ort des Auftrittes veränderte.

Als er seine Erzählung geendigt hatte, fuhr er fort:
„Wohlan, Herr, welchen von beiden erkennt Ihr für den
geschicktesten?“

„Ohne Widerrede, den Räuber, der sich in den Palast
des Königs eingeschlichen hat,“ antwortete der Sultan.

Als er diesen Ausspruch gehört hatte, öffnete Haram sein
Fläschchen und versenkte den Fürsten wieder in den Schlaf, aus welchem er ihn
aufgeweckt hatte.

Hierauf begab er sich wieder zu seinem Gefährten, der
während dieser ganzen Unterhaltung mehr tot als lebendig gewesen war: Sie
nahmen denselben Weg zurück, welchen sie gekommen waren, und verließen den
Palast ebenso glücklich, wie sie ihn betreten hatten.

Am folgenden Morgen sah der Sultan seinen Pagen bei den
Schultern an der Decke aufgehängt und erlangte nun die Gewissheit, dass er die
Hauptrolle in der Geschichte spielte, welche er in der vergangenen Nacht
erzählen gehört hatte. Weit entfernt, auf denjenigen zu zürnen, der ihm so
mitgespielt, wollte er vielmehr den Menschen näher kennen lernen, der so viel
Kühnheit bewiesen hatte: Er ließ überall bekannt machen, er verzeihe
demjenigen, der sich diese Nacht in seinen Palast eingeschlichen hätte, ja er
versprach ihm eine Belohnung, wenn er vor ihm erschiene.

Haram begab sich demnach zu dem Sultan, welcher seinen Mut
lobte und ihn zur Belohnung für so viel Gewandtheit zum Polizeileutnant
ernannte.

Es ist überflüssig, hinzuzufügen, dass schon beim
Heimgang aus dem Palast Akil sich für überwunden bekannt und nicht mehr daran
gedacht hatte, einem so unerschrockenen Mann seine Frau streitig zu
machen.“ –

Da der Tag noch nicht anbrach, so benutzte Scheherasade
die noch übrige Zeit, folgende Geschichte anzufangen:

Geschichte Jussufs und des indischen Kaufmanns

„Es war einmal zu Kairo ein Kaufmann, welchen seine
guten Eigenschaften bei seinen Mitbürgern beliebt gemacht hatten. Dieser
Kaufmann hatte einen Sohn, welchen er zärtlich liebte, und dessen Erziehung er
all seine Sorgfalt gewidmet hatte. Jussuf (so hieß dieser Jüngling) hatte
immerdar seinem Vater nur Ursache zur Zufriedenheit gegeben: Voll gläubiger
Ehrfurcht, von sanfter Gemütsart, regelmäßiger Lebensweise und einer
unbestechlichen Rechtschaffenheit, wurde er von allen, die ihn kannten, als ein
Muster aufgestellt.

Als er zu dem Alter gekommen war, wo man gewöhnlich die
jungen Leute zu verheiraten pflegt, war sein Vater darauf bedacht, ihm eine
Gattin auszuwählen. Er warf seine Augen auf die Tochter eines seiner Genossen,
welche mit großer Schönheit begabt war. Er hielt für seinen Sohn um sie an,
und kurze Zeit danach, weil beide Teile einig waren, wurde die Hochzeit mit
großer Pracht gefeiert.