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724. Nacht

„Auch ich verdanke meiner Frau diesen Vorrat,“
antwortete Akil.

„In welchem Stadtviertel wohnt Ihr?“ –

„Nahe am Siegestor.“

„Ich auch.“ –

Und so, von Fragen zu Fragen, hatten die beiden Reisenden
bald die überzeugung erlangt, dass sie beide seit mehreren Monaten eine und
dieselbe Frau gehabt.

Diese Entdeckung hätte beinahe einen hitzigen Streit
unter ihnen erregt. Aber sie bedachten zuletzt, dass es besser wäre, sogleich
wieder umzukehren und sich selber über das Verhältnis aufzuklären, in welchem
sie sich befanden.

Akil und Haram kehrten also beide nach Kairo zurück und
erreichten bald ihre gemeinschaftliche Wohnung. Als die Frau sie beisammen
erblickte, zweifelte sie nicht mehr, dass sie entdeckt wäre, und erkannte, das
es vergeblich sein würde, noch einen Vorwand zur Verhüllung der Wahrheit zu
suchen. Sie hielt es also fürs Beste, alles zu gestehen, warf sich ihnen zu
Füßen, bekannte ihr Vergehen und flehte beide um Gnade an.

Beide Männer liebten sie zärtlich, und ungeachtet ihrer
Treulosigkeit wurde jedoch beider Anhänglichkeit für sie nicht geschwächt.
Sie begnügten sich, ihr lebhafte Vorwürfe über ihre Treulosigkeit zu machen;
und da sie in dieser Doppelehe nicht fortleben mochten, so sagten sie ihr, sie
müsste unter ihnen beiden einen erwählen, den sie zum Mann behalten wollte.
Aber vergeblich drängten sie bei ihr auf eine Entscheidung: Es war unmöglich,
sie zu bewegen, dass sie denjenigen bezeichnete, den sie vorzöge.

„Wohlan,“ sprach sie endlich zu ihnen, „da
ich doch einmal wählen soll, ich aber keinen Grund habe, einen dem andern
vorzuziehen, so hört, was ich Euch vorschlage: Ihr lebt alle beide von Eurer
Geschicklichkeit. Du Akil, übst sie jeden Tag, und Du, Harem, jede Nacht: Ich
erkläre nun, dass ich denjenigen von Euch zum Mann behalten will, der von Euch
beiden die Probe der größten Geschicklichkeit ablegt.“

Beide nahmen willig diesen Vorschlag an und bereiteten
sich zum Wettkampf der Geschicklichkeit.

Akil trat zuerst auf. Er begab sich mit Haram in einen der
besuchtesten Basare in Kairo. Hier zeigte er ihm mit dem Finger einen alten
Juden, der mit großer Langsamkeit umherging.

„Du siehst dort den Juden,“ sagte er zu Haram,
„bevor er den Basar zu Ende gegangen ist, will ich ihn zwingen, mir seine
Börse zu geben.“

Zu gleicher Zeit näherte er sich ihm und entwandt ihm
einen ziemlich großen Beutel, welchen er bei sich trug. Haram wünschte ihm
schon Glück zu dieser Probe seiner Geschicklichkeit.

„Keineswegs will ich mir so dieses Geld
zueignen,“ sagte Akil, „denn das Gericht könnte mich zwingen, es
herauszugeben: Ich will, dass der Kadi selber mir die Börse des Juden
überliefere.“

So sprach er, begab sich in einen abgelegenen Winkel,
öffnete den Beutel, zählte das Geld, nahm zehn Zechinen heraus und steckte
seinen Ring dafür hinein. Nachdem er den Beutel sorgfältig wieder zugebunden
hatte, machte er sich wider an den Juden und steckte ihm ebenso geschickt die
Börse wieder ein, wie er sie ihm entwandt hatte.

Aber kaum hatte nun der unglückliche Jude einige Schritte
getan, als er auf ihn zulief. „Elender,“ schrie er ihn an, „wagst
Du es noch, so an einem öffentlichen Ort umherzugehen, nachdem Du mich so
unverschämt bestohlen hast?“