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715. Nacht

Nur kurze Zeit war der Sultan in dieser Lage, als ein
Sklave, der ein Fenster öffnete, ihn erblickte. Verwundert, einen Mann bei dem
Palast liegen zu sehen, lief der Sklave hin und meldete es seiner Herrin.

Diese wurde durch den Anblick des unglücklichen Fürsten
dermaßen von Mitleid gerührt, dass sie beschloss, ihn einzulassen und ihm
Hilfe zu leisten ungeachtet der Bitten des Sklaven, welcher ihr vorstellte, das
sie sich dem Zorn ihres Gemahls aussetzen und vielleicht den Tod desjenigen
verursachen würde, an welchem sie solchen Teil nähme.

Nachdem sie den Fürsten durch einige Früchte, welche sie
ihm zuwarf, aufgeweckt hatte, ließ der Sklave auf Befehl seiner Herrin ihm eine
Strickleiter hinab, mit deren Hilfe der Fürst bald in den Palast gelangte.

Indem er dem Sklaven für den ihm eben geleisteten Dienst
dankte, hörte er einen lauten Schrei ausstoßen. Er drehte hierauf den Kopf und
erkannte seine Schwester Aischah, welche bewusstlos ihren Frauen in die Arme
gesunken war. Er flog ihr zu Hilfe, und nachdem er sie wieder zu sich gebracht
hatte, umarmte sie ihn mit Tränen in den Augen und fragte ihn, wie er ihren
Aufenthalt hätte entdecken können.

Chansad erzählte ihr nun alle Abenteuer seiner Reise.
Diese Erzählung schien den Schmerz der Prinzessin noch zu vermehren, welcher so
lebhaft wurden, dass es ihren Bruder verdross.

„Warum,“ sprach er zu ihr, „scheinst Du
über meinen Anblick in Verzweiflung, während ich froh bin, Dich wieder gefunden
zu haben, und Dein Anblick mich über alle Mühseligkeiten tröstet, welche ich
deinetwegen erduldet habe?“

„Leider,“ antwortete Aischah, „bist Du es
auch, mein lieber Bruder, der meine Besorgnis verursacht. Ich bin überzeugt, es
ist mein Mann, der in der Gestalt eines Greises Dich zu diesem Palast gebracht
hat, und ich habe alle Ursache, seine Wut zu fürchten. Höre mich an, ich will
Dich das Ungeheuer kennen lehren, mit welchem der Wille unsers Vaters Deine
unglückliche Schwester verbunden hat.

Du weißt, dass wenige Tage nach meiner Heirat mein Gemahl
mir befahl, ihm zu folgen. Diese Vorahnung des Unglücks, welches mir begegnen
sollte, und die Verbindung, welche mich zwang, vielleicht für immer meine
Verwandten zu verlassen, von denen ich so zärtlich geliebt war, entrissen mir
einen Strom von Tränen. Mein unmenschlicher Gemahl war unempfindlich: Ich
musste fort.

Am Abend des ersten Tages unserer Reise hielten wir in
einem kleinen Gehölz von Sandel, Myrten und Aloe an. Abutawil verließ mich
einen Augenblick. Er kam bald mit einem Becken voll Wasser zurück, spritzte
einige Tropfen davon auf meine Leute und verwandelte sie in Bäume. Darauf
tötete er unsere Kamele. Ich zitterte auch für mein Leben, aber ohne mir ein
Leid zuzufügen, nahm er mich in seine Arme und schwang sich mit mir in die
Lüfte. Wir reisten auf diese Weise die ganze Nacht.

Am Tag erreichten wir die Mitte dieser Wüste. Mein Gemahl
zog einen großen Kreis um uns, und nachdem er einige Beschwörungen gemacht
hatte, sahen wir diesen Palast mitten aus dem Kreis emporsteigen.