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697. Nacht

Ein Jahr danach, am Tag Arafa, ging der Kalif abermals
verkleidet aus; er hatte wieder seinen treuen Giafar bei sich und überdies den
Mesrur, das Oberhaupt der Verschnittenen. Indem der Kalif so durch eine der
Straßen von Bagdad wanderte, bemerkte er einen Laden, welcher sich durch seine
Reinlichkeit und Zierlichkeit auszeichnete, und worin ein junger Mann
beschäftigt war, kleine Kuchen zu backen.

Dem Kalifen gefiel sein gutes Aussehen, und um ihm einen
vorteilhaften Absatz zu verschaffen, befahl er sogleich bei seiner Rückkehr in
seinen Palast, von diesem Pastetenbäcker hundert kleine Kuchen zu holen. Diese
wurden alsbald dem Kalifen gebracht, welcher unter jedem ein Goldstück legte
und sie der Prinzessin von Persien, welche er vor einem Jahr geheiratet hatte,
übersandte mit der Ankündigung, dass er sie eben diesen Abend besuchen wollte;
zugleich ließ er sie befragen, ob sie irgend etwas zu wünschen hätte.

Die Prinzessin antwortete, sie bäte den Kalifen, ihr
tausend Goldstücke und eine Begleiterin zu schicken, mit welcher sie ausgehen
könnte, um Almosen zu spenden.

Der Kalif bewilligte gern ihr Begehren und sandte ihr, was
sie verlangt hatte.

Sie ging also aus in Begleitung einer Vertrauten,
durchwanderte die Straßen von Bagdad und teilte reichlich Almosen aus.

Nachdem sie in der übermäßigen Hitze schon weit
gegangen war, fühlte sie einen heftigen Durst; es widerte ihr, aus dem Becher
eines Wasserträgers zu trinken, sie bat also die Alte, welche sie begleitete,
an die Türe eines Hauses von hübschen Ansehen zu pochen und um ein Glas Wasser
zu bitten.

Die Alte klopfte leise an die Tür, und alsbald trat ein
schöner und reich gekleideter junger Mann hervor und fragte sie, was sie
begehrten.

„Mein Sohn,“ antwortete die Alte, „wir
kommen, Euch um einen Dienst anzusprechen: Meine Tochter fühlt einen brennenden
Durst und will nicht bei einem Wasserträger trinken; wir sind daher so frei,
Euch um ein Glas Wasser zu bitten.“

Der junge Mann beeilte sich, dem Verlangen der Alten zu
genügen, er trat in sein Haus zurück und kam alsbald mit einem vollen Becher
in der Hand wieder heraus; die Prinzessin trank begierig, indem sie sich so
wandte, dass der junge Mann ihr Antlitz nicht sehen konnte. Nachdem sie ihm für
seine Gefälligkeit gedankt und den Segen des Himmels auf ihn herabgewünscht
hatten, kehrten die beiden Unbekannten nach dem Palast zurück.

Unterdessen hatte Harun die Kuchen, welche er der
Prinzessin verehren wollte, zubereitet und ließ sie ihr sogleich überbringen.
Die neue Gemahlin des Kalifen wusste nicht, auf welche Weise sie sich für die
Höflichkeit des jungen Mannes, dem sie die Erfrischung zu verdanken hatte,
erkenntlich bezeigen sollte: Sie befahl, ihm die Kuchen zu bringen, welche der
Kalif ihr eben geschickt hatte.

Die Alte, welche diesen Auftrag erhalten hatte, brachte
sie nach ihrer Bestimmung; unterwegs spürte sie großes Gelüst, einige davon
zu essen, aber die Wegnahme eines einzigen hätte eine zu merklich Lücke
hervorgebracht, so dass sie nicht wagte, ihre Leckerei zu befriedigen, sondern
die Schüssel unberührt dem jungen Mann überbrachte.

Dieser saß vor seiner Türe; er dankte der Alten für die
ihm erwiesene Aufmerksamkeit und bat sie, die Kuchen auf die Bank hinzustellen,
auf welcher er saß.

Kaum war die Alte einen Augenblick weg, als einer der
Wächter des Stadtviertels zu dem jungen Mann kam und ihn ansprach. „Herr,
es ist heute Arafafest. Gebt Ihr mir nicht etwas zum Neujahr, damit ich meinen
Kindern etwas Zuckerwerk kaufen kann?“

„Nimm diese Schüssel,“ antwortete ihm der junge
Mann, „und bringe sie ihnen von meinetwegen.“

Der Wächter ergriff, ohne sich bitten zu lassen, die
Schüssel, lief hin und brachte sie seiner Frau.

„Unseliger,“ sprach diese zu ihm, „wo hast
Du diese Kuchen gestohlen?“