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696. Nacht

„Ich gewähre sie ihm,“ antwortete sie,
„wenn er mir die Morgengabe gibt, welche ich von ihm fordere.“

„Es wird dem Kalifen ohne Zweifel sehr schwer
werden,“ sagte Giafar bei sich selber, „die Morgengabe für eine
Bettlerin aufzubringen“: – „und wie groß ist die Summe,“ fuhr er
fort, „welche Ihr verlangt?“

„Sie muss,“ antwortete sie, „den
einjährigen Einkünften der Stadt Ispahan gleich sein.“

Giafar teilte dem Kalifen diese Forderung mit, welcher zum
großen Erstaunen des Wesirs die Bedingung annahm.

Als die Bettlerin hörte, dass ihre Forderung angenommen
sei, wollte sie den Namen ihres künftigen Gemahls wissen.

„Dieser Gemahl ist,“ antwortete ihr Giafar,
„der Kalif Harun Arreschyd.“

Ohne über diesen plötzlichen Glückswechsel erstaunt zu
sein, begnügte die Braut sich, Gott zu danken, dass er ihr den Beherrscher der
Gläubigen zum Gemahl geschenkt; und nachdem sie ihren Schleier etwas in Ordnung
gebracht hatte, folgte sie ihm nach dem Palast.

Als der Kalif hier ankam, befahl er sogleich, dass eine
Alte und Sklavinnen seine neue Gemahlin sorgfältig bedienten. Man führte sie
in ein Bad, wo man sie mit den wohl riechendsten Wassern wusch; man schmückte
sie mit den prächtigsten Kleinoden; hierauf führte man sie in einen
prächtigen Palast. Denselben Abend noch begab sich der Kalif mit seinen
Gesetzesbeamten dahin, welche den Heiratsvertrag aufsetzten.

Als Harun sich mit seiner neuen Gemahlin allein sah,
fragte er sie, wer sie wäre, und aus welchem Grund sie eine so ansehnliche
Morgengabe gefordert hätte.

„Herr,“ antwortete die neue Gemahlin, „ich
habe nicht mehr von Euch gefordert, als wozu mich meine Geburt berechtigte: Denn
Ihr seht vor Euch eine Abkömmlingin des berühmten Chosru Nuschirwan. Eine
Reihe unglücklicher Ereignisse hat mich in den bejammernswürdigen Zustand
versetzt, in welchem Ihr mich gefunden habt.“

„Wenn den Geschichtsschreiben zu glauben ist,“
sagte der Kalif, „so war Euer erhabener Ahnherr manchmal sehr ungerecht und
zeigte sich als ein harter Bedrücker seiner Untertanen.“

„Eben um uns für die Vergehen dieses Fürsten zu
bestrafen,“ erwiderte die Urenkelin Chosrus, „hat uns Gott so
erniedrigt, dass wir um Almosen bitten müssen.“

„Indessen,“ fuhr der Kalif fort,
„versichert man, dass er sich gebessert und in der Folge ungemeine Großmut
und Gnade bewiesen hat.“

„Und deshalb vielleicht,“ versetzte sie hierauf,
„hat die Barmherzigkeit Gottes mich aus dem Abgrund des Elends gezogen und
mich auf den Thron des Beherrschers der Gläubigen erhoben.“

Der Kalif hatte nun alle Ursache, mit der Wahl seiner
neuen Gattin zufrieden zu sein.