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692. Nacht

Der Geist begab sich zu seinem Roch und befahl ihm, die
Stücke von dem Leichnam des Sohnes Ali Dschoharis herbeizubringen. Der Vogel
flog hin und kam mit dieser kostbaren Bürde zurück. Der Sklave legte die
Stücke zusammen und rieb sie mit einer von Salomon selber bereiteten Salbe;
hierauf wusch er den Leichnam mit Wasser aus dem Brunnen des Lebens.

Vierundzwanzig Stunden nach dieser Verrichtung schien der
junge Mann wieder zu atmen, sein Herz schlug wieder, und bald war er geheilt und
wohlauf. Der Geist riet ihm nun, zu seinen Eltern heimzukehren. Bei diesen
Worten erinnerte er sich der Absicht seiner Reise: Er bat den Amin inständig,
ihn wieder nach dem Ort zu bringen, wo man seinen Leichnam gesammelt hatte, und
schwor, ganz allein dahin zurückzukehren, wenn er ihm diese Bitte abschlüge.
Nachdem Amin vergeblich versucht hatte, ihm diese Unternehmung auszureden,
wollte er ihm wenigstens die Gefahren der Reise ersparen; er befahl also dem
Roch, ihn nach der Grünen Insel zu bringen, und trennte sich mit zärtlichem
Lebewohl von ihm; denn er wagte nicht zu hoffen, dass er dieses heldenmütige
Opfer der Gattenliebe nochmals wieder sehen würde.

Als der junge Mann die vorige Umgebung wieder erkannte,
erinnerte er sich auch des Unglücks, welches ihn getroffen hatte; die
Vorstellung davon drohte ihm selbst mit einer Ohnmacht; aber sein Mut belebte
sich wieder, als er an seine junge kranke Gattin dachte, deren Herstellung von
dem Erfolg dieser Unternehmung abhing. „Ich muss,“ sprach er, „es
durchsetzen, weil sie sterben muss, wenn ich ohne dieses Kraut heimkomme; oder
wenn ich dabei erliege, und welches Schicksal mir auch bestimmt sein mag, so
will ich doch lieber hier meinen Tod finden, als meine junge Gattin sterben und
ihre auf mich gerichteten brechenden Augen mir meine Feigherzigkeit vorwerfen
sehen.“ Kurz, die Liebe siegte über die Furcht; aber bevor er zur
Beendigung seiner großen Unternehmung schritt, wollte er sich der Pflichten
seiner Religion entledigen.

Er war im Begriff, seine Abwaschungen in Ermangelung des
Wassers mit Sand zu verrichten, als zwei Adler ihm Wasser in einem großen
Gefäß brachten; sie legten ein kleines in der Asche gebackenes Brot daneben
und flogen dann wieder davon, ohne dass der mutige Waller sehen konnte, nach
welcher Seite sie entschwunden waren. Indessen verrichtete er seine Gebete, nahm
etwas Nahrung zu sich und versuchte seinen Säbel an einigen umherstehenden
Bäumen.

Kaum hatte er seinen Säbel aus der Scheide gezogen, als
er ein noch entsetzlicheres Schauspiel denn zuvor sah: Dicke Finsternis vertrieb
die Helligkeit des Tages; der Donner und die schlängelnden Blitze unterbrachen
von Zeit zu Zeit diese furchtbare Dunkelheit; der in seiner ganzen Wut
losgelassene Sturm beugte die Gipfel dieser riesengroßen Bäume, welche mehr
als einmal die Wolken in ihrem Lauf gestört hatten. Der unaufhörlich
erschütterte Boden schien sich auf allen Seiten zu öffnen und spie jeden
Augenblick Ströme von Rauch und Flammen aus. In der Ferne hörte man das
furchtbare Rauschen eines sturmbewegten Meeres, das eben die Grenzen
übersteigen zu wollen schien, welche der Allerhöchste ihm vorschrieb, als
seine allmächtige Hand es über die Erdkugel ausgoss.