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680. Nacht

Nachdem sie alles so verabredet hatten, was ihr Verbrechen
verhüllen sollte, nahmen die Ritter die Zeichen der tiefsten Trauer an. Als sie
in die Nähe des Emirs Salama kamen, stießen sie laute Wehklagen aus. Einer von
ihnen führte das Ross des Prinzen, welches ledig ging, am Zaum.

Als der Emir diesen Trauerzug herannahen sah, erkannte er
alsbald das Unglück, welches ihn bedrohte, und sein Schmerz war grenzenlos.
Jetzt trat einer der Ritter hervor und sprach zu ihm also:

„Mein Fürst, mit tiefem Schmerz kommen wir, durch
eine trostlose Nachricht Euer väterliches Herz zu betrüben: Euer Sohn Habib
ist nicht mehr. Er ist ein Opfer der wütenden Hitze der Wüste geworden,
nachdem er drei Tage lang vergeblich gegen die Beschwerden gekämpft, die ihn
überwältigt haben. Bei diesen schrecklichen Leiden haben wir uns bemüht, ihm
alle uns mögliche Hilfe zu leisten, aber es ist umsonst gewesen: Mit dem Namen
seiner Geleibten hat er den letzten Seufzer ausgehaucht.“

Diese Reden machten einen tiefen Eindruck auf den alten
Emir. „Wehe!“, rief er aus, „die Weissagungen sind nur zu wahr
gewesen! Muss noch das Ende meiner Tage durch ein so grausames Missgeschick
vergiftet werden! O mein unglücklicher Sohn, wie hast Du so in der Blüte
Diener Jahre umkommen können? Deine Tapferkeit verdiente ein anderes Schicksal:
Du wärst der Trost meines Alters und der Ruhm meines Reiches gewesen.“

Indem er diese Worte aussprach und dabei seine Kleider
zerriss und Asche auf sein Haupt streute, lief seine Gattin auf sein Geschrei
herbei. „Wo ist mein Sohn?“, rief die unglückliche Mutter aus,
„was habt ihr mit meinem Sohn gemacht? Warum habt ihr nicht seinen Leichnam
zurückgebracht? Ich hätte ihn selber gern ins Leichentuch gelegt und ihn
wenigstens doch noch einmal gesehen!“

Die treulosen Ritter entschuldigten sich, wie sie
verabredet hatten, und nahmen die brennende Hitze zum Vorwand, welche, wie sie
sagten, ihnen nicht gestattet hätte, sich mit einem fast gleich nach dem Tod in
Fäulnis übergegangenen Leichnam zu beladen: übrigens, versicherten sie,
hätten sie ihm sorgfältig alle Ehre der Bestattung erwiesen.

Vergeblich bestand die Mutter Habibs darauf, die
Begräbnisstätte ihres Sohnes zu wissen. Jene hüteten sich wohl, den Ort
anzugeben, wo sie diesen unglücklichen Prinzen verlassen hatten. Sie
antworteten, sie hätten ihn in einer grauenvollen Wüste beerdigt, in welche
vor ihnen noch keines Menschen Fuße eingedrungen und deren Name ihnen ganz
unbekannt wäre.

Da nichts imstande war, ihren Schmerz zu lindern, so lagen
der Vater und die Mutter Habibs in der Asche und versagten es, irgend eine
Nahrung zu sich zu nehmen. Alle übrigen Mitglieder des Stammes teilten
aufrichtig ihr Leid, sie betrauerten innig den Sohn ihres Herrn, und jeder
glaubte, in ihm seinen Verteidiger und Freund verloren zu haben.

Indessen waren alle diese Wehklagen ohne Not. Habib war
endlich nach einem langen Schlaf erwacht, und sein Erstaunen konnte nicht
größer sein, als er erkannte, dass man ihn in der Wüste allein gelassen
hatte. Er sah vor sich nichts als eine unermessliche Einöde. Seines Rosses,
seiner Gefährten und seiner Waffen beraubt, erkennt er wohl, dass ihm keine
Hoffnung bleibt als auf die Hilfe des Himmels; und indem er sich auf die Knie
wirft, spricht er folgendes Gebet:

„Du siehst, großer Gott, die Treulosigkeit
derjenigen, die mich verraten haben. Du allein kannst mich in einer so
bejammernswürdigen Lage von den Gefahren befreien, welche mich bedrohen: Ich
übergebe mich Dir, nimm mir, wenn Du willst, das Leben, aber lass mir den Mut,
den Tod zu ertragen.“

Kaum hat er dieses Gebet vollendet, als er in der Ferne am
Gesichtskreis der Wüste etwas Schwarzes erblickt. mitten in dem brennenden Sand
und unter den sengenden Strahlen der Sonne verliert Habib nicht den Mut. Er
nährte seine Glut durch Gesänge der Zärtlichkeit und des Ruhmes und erhitzt
seine Einbildungskraft, indem er die Zauber der Schönheit besingt.