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679. Nacht

Da erinnerten sie sich der Verkündigung des Geistes,
welcher des Prinzen Lehrer gewesen war, und dachten wohl, dass die Unfälle, mit
welchen er sie bedroht hatte, durch Dorrat-al-Gawas sollten veranlasst werden.
In dieser Meinung taten sie alles mögliche, um den jungen Prinzen von seinem
Vorsatz, Dorrat-al-Gawas wieder aufzusuchen, abzubringen. Aber alles, was sie
ihm sagen mochten, war fruchtlos. Vergebens stellte sein Vater ihm alle Gefahren
der beabsichtigten Unternehmung vor, vergebens erbot er sich, nach allen Seiten
erfahrene Ritter zur Aufsuchung der Königin der Geister auszusenden.

Nichts vermochte die Standhaftigkeit des jungen Habib zu
erschüttern, welchen die Aussicht des Todes selbst nicht abschreckte: Er bat
seinen Vater, ihm Kamele, Reisezeug, ein angemessenes Gefolge und Geschenke für
seine Herrin mitzugeben. Er hieß ihn alle Besorgnisse verbannen und machte sich
mit seiner Karawane auf den Weg.

Er hatte ein Gefolge von zwanzig der unerschrockensten
Ritter seines Stammes, trug einen trefflichen Panzer und ritt den schönsten
Renner Arabiens. Als Habib so auf dem Weg war, fühlte er eine große Linderung
seines Schmerzes und hub an, vor seinen Gefährten Verse auszusprechen, welche
seine Liebe und seine Ungeduld schilderten, bald wieder mit dem Gegenstand
seiner Wünsche vereinigt zu sein.

Die Ritter, welche der Emir Salama zur Begleitung seines
Sohnes erwählt, hatten sich den Befehlen ihres Fürsten nicht entziehen und
sich nicht weigern können, Habib zu folgen; aber sie waren alle eifersüchtig
auf die zahlreichen Siege, welche dieser junge Mann davongetragen hatte, und ihr
niedriger Neid trieb sie so weit, dass sie den Anschlag fassten, ihn im Schlaf
zu ermorden. Einer der Verwegensten übernahm es, dem Prinzen ein Schlafpulver
ins Getränk zu mischen, und nur zu wohl gelang dieser höllische Anschlag.

Die Karawane kam eines Abends in ein reizendes Tal, wo
alles zum Ausruhen einlud. Als die Zelte aufgeschlagen waren, entledigte sich
derjenige, der die Ausführung des Anschlags übernommen hatte, seines
scheußlichen Auftrags. Der Prinz spürte bald die Wirkungen des Trankes,
welchen man ihm eingegeben hatte. Er fühlte anfangs einen heftigen Kopfschmerz
und versank endlich in tiefen Schlaf.

Als die Ritter den Prinzen eingeschlafen sahen,
beratschlagten sie sich, was sie nun mit ihm anfangen sollten. Einige waren der
Meinung, man sollte ihn ermorden; aber die übrigen waren menschlicher, sie
schauderten vor der Bluttat zurück und stimmten der Meinung eines unter ihnen
bei, welcher, um das Leben des Prinzen zu retten, ihnen vorschlug, ihn in der
Wüste allein zu lassen, welche das Tal umgab.

„Warum,“ sprach dieser würdige Ritter zu ihnen,
„sollten wir uns ohne Not eines Mordes schuldig machen? Wenn wir den
Prinzen hier verlassen und sorgfältig alles von ihm entfernen, was ihm
behilflich sein könnte, seine Weg fortzusetzen, so ist es durchaus unmöglich,
dass er, in einer Wüste und jeglicher Hilfe beraubt, dem Tod entgehe. Ihr seht
ihn gegenwärtig fest eingeschlafen, und vielleicht ist er schon in den ewigen
Schlaf versunken; aber auch angenommen, dass er wieder erwacht, wenn wir ihn
hier verlassen und alle Pferde und Kamele mitnehmen, so ist sein Tod
unvermeidlich.“

Diese Rede machte einen starken Eindruck auf die Ritter:
Sie begnügten sich also, dem Prinzen sein Ross und seine Waffen zu nehmen und
alles von ihm zu entfernen, was zu seiner Erhaltung hätte dienen können.
Alsdann kehrten sie auf demselben Weg zurück, den sie gekommen waren, um dem
alten Salama über das Verschwinden ihres jungen Herrn ein Märchen zu
erzählen.

„Wenn der Emir Salama,“ sprachen sie unter sich,
„uns nach seinem Sohn fragt, so können wir ihn leicht überreden, dass
Habib, erschöpft von den Anstrengungen der Reise, gestorben ist, und dass wir
alles getan haben, was wir vermochten, um sein Leben zu retten, dass aber alle
unsere Bemühungen fruchtlos gewesen sind. Wenn er seine Verwunderung äußert,
dass wir den Leichnam nicht zurückbringen, so wird die ungeheure Hitze der
Wüste und die Furcht vor der Verwesung uns zur Entschuldigung dienen.“