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672. Nacht

Ungeachtet aller unserer Vorkehrungen durchdrang sie doch
meine Absicht, und da sie sah, dass es mir unmöglich war, an dem Hof ihres
Vaters zu bleiben, und dass man ihr nimmer gestatten würde, mich zu begleiten,
versank sie in ein furchtbares Siechtum: Ihre Wangen fielen ein, die Rosen ihres
Angesichts verschwanden. Kurz, der Hof war in der lebhaftesten Besorgnis.

Ich widmete der Kranken alle meine Aufmerksamkeit, und sie
schien wieder zu genesen. Zur Feier dieser glücklichen Herstellung gab der
König ein Fest, zu welchem der ganze Hof eingeladen wurde. Treffliche
Spielleute und Tänzer, so leicht wie der Morgenwind, führten die zärtlichsten
und vor Liebe glühendsten Gesänge auf. Mein Herz war wahrhaft gerührt, und diese
Rührung malte sich auf meinem Antlitz. Die Prinzessin fragte mich, ob ich noch
entschlossen wäre, zu reisen.

„Ich werde mich wohl hüten,“ antwortete ich
ihr, „in einem solchen Augenblick an die Ausführung meines Vorhabens zu
denken; aber warum wollen wir ein so heiteres Fest trüben? Lasst uns von etwas
anderem reden: Schenke, fülle uns die Schale!“

Der König und die Königin stimmten mir bei. Man brachte
jedem der Gäste eine Schale voll des köstlichsten Weines und spielte eine
recht fröhliche Weise, welche die Freude des Festes noch zu erhöhen vermochte.
Ich bemühte mich, vollends den Trübsinn zu zerstreuen, welchen ich noch auf
dem Antlitz der Prinzessin bemerkte.

„Weil Ihr denn durchaus reisen wollt,“ sagte sie
zu mir, „so empfangt mein Lebewohl.“

Mit diesen Worten sank sie rücklings an meinen Busen, und
indem sie ihre linke Hand an mein Herz drückte, stieß sie mit der rechten
unter ihrem Gewand einen Dolch in ihre Brust. Sie gab nicht einen einzigen Laut
von sich, aber das Blut, welches sogleich in vollen Strömen hinab floss, und die
Blässe, welche die Wangen dieser unglückselige Tat. Man hatte nicht mehr Zeit,
ihr die geringste Hilfe zu reichen. Man suchte noch ihre Wunde, als sie schon in
meinen Armen verschied.