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671. Nacht

„Ihr seid die Ursache meines Todes. Die Liebe, die
Ihr mir eingeflößt habt, wird mich zu Grabe bringen. Warum habt Ihr mich nicht
enttäuscht, bevor sich diese verderbliche Leidenschaft in mir entzündete?
Niemals, ach nein, niemals wird mein Herz einen Gegenstand finden, welcher
würdig wäre, mit Euch verglichen zu werden!“

„Unglückliche Prinzessin!“, sprach ich zu ihr,
„konnte ich mir einbilden, dass Ihr für eine Fremde Liebe empfinden
würdet, deren Bleibens nicht lange hier ist.“

„Ach, meine süße Freundin,“ antwortete sie
mir, „Ihr wollt mich verlassen: Fürchtet Ihr nicht, dass ich nur zu bald
meinen Leiden erliegen werde? Ich schwöre beim Namen des Allmächtigen, ich
werde Euch überallhin begleiten.“

„Euer Heil gebietet mir, wegzureisen. Wenn ich
bleibe, so ist Eure Unehre vollständig: Was wird man sagen, wenn man uns immer
beisammen sieht, ohne dass unsere Ehe Folgen hat?“

„Mein Kopf ist zu sehr angegriffen,“ sagte sie
darauf, „um an alle diese Verhältnisse zu denken. Lasst uns diese Nacht
wie die vorigen zubringen. Vielleicht werden wir morgen ein Mittel für alle
diese Leiden finden.“ Hierauf drückte sie mich fest an ihre Brust, und
mich fest umarmt haltend, schlief sie ein.

Am folgenden Morgen fanden wir den König und die Königin
in der tiefsten Betrübnis. Der Wesir hatte ihnen die beleidigenden Reden
hinterbracht, welche man in der Stadt über die junge Prinzessin führte.

„Herr,“ sprach er, „ich bekenne, dass
dieser Fremdling Eurer Tochter das Leben gerettet hat. Aber es wäre besser
gewesen, sie umkommen zu lassen, als sie mit Schmach zu bedecken. Hätte er
seine Abneigung gegen diese Verbindung zu erkennen gegeben, so würden wir eine
andere Prinzessin, welche ihm besser gefallen hätte, für ihn gesucht haben,
und wenigstens hätte er Eurem Haus diese Beschimpfung erspart.“ Der König
antwortete durch einen tiefen Seufzer.

Wenige Augenblicke darnach trat die Prinzessin ein. Ihr
Vater fragte sie, wie sie die Nacht zugebracht hätte, und weinend antwortete
sie: „Wie die vorigen.“

Hierauf erzählte ihr der König, was der Wesir ihm
hinterbracht hatte, und befahl ihr, ihrem Gemahl anzukündigen: Wenn er in
seiner Gleichgültigkeit verharrte, so würde man eine andere Frau für ihn
suchen, und sie selber könnte ebenfalls eine andere Ehe eingehen.

Die Prinzessin sah sich nun genötigt, ihr Geheimnis zu
entdecken, und diese Neuigkeit setzte alle Höflinge in Erstaunen, und sie
wollten’s nicht glauben.

Als mich hierauf der König hatte rufen lassen, bekannte
ich ihm unbefangen die Wahrheit und erzählte ihm alle meine Abenteuer, an
welchen er großen Teil nu nehmen schien.

„Da Ihr eine Muselmännin seid,“ sprach er zu
mir, „und Euch bei Leuten befindet, die sich zu demselben Glauben bekennen,
so bleibt doch bei uns. Ich nehme es auf mich, Euch einen Gemahl zu verschaffen,
der Euer würdig ist und Euer Glück machen wird.“

„Durchdrungen von Dankbarkeit für alle Eure
Güte,“ antwortete ich, „bitte ich Euch, zu erlauben, dass ich sie
ablehne. Ich muss nach Bagdad, um daselbst meine alte Lehrerin wieder zu finden,
und von dort mit ihr nach äthiopien zu dem König reisen, der mein Verwandter
ist und sich auch zum muselmännischen Glauben bekennt.“

Diese Antwort betrübte den König sehr. Er war auch sehr
verlegen, wie er die Schmachreden vernichten sollte, welche in der Stadt
umliefen. Indessen gab er geheime Befehle zu meiner Abreise mit einem
zahlreichen Gefolge von Sklaven und bat mich vor allem, der Prinzessin, seiner
Tochter, von all diesen Anstalten nichts zu sagen.