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635. Nacht

Dort erbat er sich bei dem Prinzen Jussuf geheimes Gehör,
welches ihm auch sogleich gewährt wurde, und in welchem er dem Prinzen Alifas
Brief übergab. Dieser, dessen Zorn sich schon früher gelegt und der die
Schmerzen der Trennung schon empfunden hatte, geriet nun nach Lesung des Briefes
vor Freuden außer sich, hörte mit innigem Vergnügen, was Ali-Ben-Ibrahim ihm
erzählte, und versicherte ihn, dass er nun von ihrer Treue vollkommen
überzeugt wäre, seinen Verdacht und seine schnelle Abreise von Herzen bereute
und in der nächsten Nacht wieder zu der Geleibten reisen wollte, bis zu welcher
Zeit er sich ausruhen sollte. Dieser wurde nun auf Befehl des Prinzen in eines
der prächtigsten Zimmer des Palastes geführt und von den Hofbedienten
ehrfurchtsvoll bedient. In der folgenden Nacht ließ Jussuf alles zur Abreise
Nötige von seinem getreuen Hallal besorgen und machte sich dann mit diesem und
dem Verschnittenen auf den Weg. In wenigen Tagen erreichten sie das Ufer des
Sees, schwammen hinüber und kamen zur größten Freude der nun wieder
glücklichen Alifa im Schloss an. Die Erinnerung an die vergangenen Leiden
vermehrte noch die Entzückungen der Gegenwart, und die Liebenden waren wo
möglich noch zufriedener miteinander als vor ihrer Trennung. Der treue
Ali-Ben-Ibrahim wurde mit einem aus kostbaren Edelsteinen bestehenden Geschenk
entlassen und kehrte, da die für seinen Aufenthalt im Schloss bestimmte Zeit
vorüber war, an den Hof Myr-dschyhans zurück.

Bei seiner Ankunft nahm ihn der Sultan, begierig,
Nachrichten von seiner Tochter zu erhalten, in sein Kabinett, und während er
den Verschnittenen um dieses und jenes befragte, fiel diesem durch einen
unglücklichen Zufall der Turban vom Kopf, und aus diesem rollten die zum
Geschenk erhaltenen Edelsteine und ein Heft heraus, in welchem er die
Liebesabenteuer Jussufs und seiner Geliebten zu seiner Ergötzung beschrieben
hatte. der Sultan kannte einen Teil der Juwelen und griff nach dem auf die Erde
gefallenen Heft, um es zu lesen. Er geriet in die heftigste Wut, als er nun las,
wie alle seine Vorsichtsmaßregeln gegen die Vorherbestimmung des Geschicks
vergeblich gewesen wären, und wie die Prinzessin verführt und sein Haus
entehrt wäre. Mit furchtbarer Strenge fragte er den zitternden Ali, ob Jussuf
noch bei seiner Tochter wäre, und nach erfolgter Bejahung befahl er sogleich,
dass alles zu seiner Abreise bereitet würde, und dass das Heer aufbrechen
sollte, um sich an den Ufern des Sees zu lagern. Der unglückliche Verschnittene
wurde fast tot geprügelt und dann, mit Ketten belastet, in einen Kerker
geworfen. Aber er blieb den treuen Liebenden getreu und bestach durch ein
reiches Geschenk den Kerkermeister, dass er ihm erlaubte, durch einen sichern
Boten an die Prinzessin ein Schreiben zu senden, worin er sie von dem
vorgefallenen Unglück in der Hoffnung, dass sie mit Jussuf in dessen Vaterland
werde entfliehen können, benachrichtigte. Zum Glück der Liebenden erhielten
sie diese Nachricht am nächsten Morgen. Sie berieten sich, was für Maßregeln
sie ergreifen sollten, und kamen überein, dass nur Jussuf und Hallal nach Sind
zurückkehren sollten, die Prinzessin aber, außerstande, die Beschwerden einer
solchen Reise zu ertragen, sollte im Schloss bleiben, und die Sklaven sollten
dem Sultan bei seiner Ankunft sagen, sie wäre mit ihrem Geliebten auf und
davon, worauf er denn unstreitig entweder heimkehren oder mit seinem Heer den
Prinzen verfolgen würde, der jedoch auf seinem schnellen Ross nicht eingeholt
werden könnte. Noch wurde festgesetzt, dass Jussuf nach seiner Heimkehr eine
Gesandtschaft an Myr-dschyhan schicken sollte, um diesem seine Heirat mit seiner
Tochter zu melden und ihn um Verzeihung und um die Erlaubnis zu bitten, ihm als
Schwiegersohn huldigen zu dürfen. So trennten sich nun die Geliebten; aber alle
ihre Entwürfe wurden durch die Macht des unabänderlichen Geschickes zu Schanden
gemacht.