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632. Nacht

Jussuf, ein junger ein liebenswürdiger, aber sehr
lockerer Prinz, hatte seinen Vater erzürnt, entfloh von seinem Hof und
erreichte mit wenigen Begleitern die Ufer des Sees. Neugierig, zu wissen, wer
das Schloss in der Mitte des Sees bewohne, schwamm er hinüber und landete an
dem Tor, welches er verschlossen fand, und vor welchem er auf sein lautes Rufen
um Einlass keine Antwort erhielt. Er schrieb sodann einen Zettel, flehte um
Mitleid für einen hilflosen Fremden und schoss das an einen Pfeil befestigte
Papier über die Mauer. Zu seinem Glück fiel der Pfeil gerade der Prinzessin,
die eben in einem der Schlosshöfe spazieren ging, vor die Füße. Sie beredete
ihre Amme, das Tor zu öffnen, und verliebte sich, den Prinzen erblickend,
ebenso heftig in ihn, als er sich in sie verleibte. Er wurde eingelassen, mit
Achtung aufgenommen, und bald fanden zwischen den Liebenden die zärtlichsten
Zusammenkünfte statt. Freude und Wonne herrschten im Schloss, während die
Begleiter des Prinzen am Ufer des Sees seine Rückkehr erwarteten.

Nach einiger Zeit sandte nun Sultan Sohul, der sich mit
seinem Sohn zu versöhnen wünschte und erfahren hatte, welches Weges er gezogen
war, seinen Neffen Yiah an ihn ab, um ihm seine Verzeihung anzukündigen und ihn
zur Rückreise nach Sind aufzufordern. Als Yiah an die Ufer des Sees kam, erfuhr
er von Jussufs Begleitern, dass dieser in das Schloss eingelassen worden sei und
sie seitdem nichts von ihm gehört hätten. Hierauf befestigte Yiah an einen
Pfeil einen Zettel, auf welchen er das Nötige von des Sultans Vergebung und von
seinem Wunsch, den Prinzen zu sehen, schrieb. Der in das Schloss geschossene
Pfeil fiel in den Garten, in welchem Jussuf und Alifa eben lustwandelten. Als
der Prinz den Zettel gelesen hatte, freute er sich so sehr über die Vergebung
seines Vaters, dass er heimzureisen und seinen Eltern Dank zu sagen und künftig
Gehorsam zu leisten beschloss. Er teilte der Prinzessin dieses Vorhaben mit,
welches sie sehr betrübte. Er tröstete sie jedoch durch Versicherungen seiner
baldigen Rückkehr und versicherte sie, dass nichts als kindliche Liebe ihn ihr
auch nur einen Augenblick entziehen könnte. Sie bat ihn nun inständig, sie
doch mitzunehmen; aber Jussuf stellte ihr vor, wie solch ein Schritt nur ihrem
Ruf schaden und ihren Vater erzürnen könnte, der dann unstreitig in das
Königreich Sind mit seinem mächtigen Heer einfallen und dass sie auf solche
Weise unnötiges Blutvergießen veranlassen würde. Wenn sie es im Gegenteil
geduldig abwarteten, so würde Sultan Myr-dschyhan leicht bewogen werden, in
ihre Verbindung zu willigen. Er wollte sie inzwischen oft besuchen, und ihre
Zusammenkünfte würden durch die Treue ihrer Liebe geheim bleiben.