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628. Nacht

Die zwei Wesire landeten nun und begaben sich in den
Palast; aber wie groß war das Erstaunen und der Verdruss Ibrahims, als er
erfuhr, seine Tochter wäre entflohen, und niemand von ihren Umgebungen hätte
trotz wiederholten Nachsuchungen in jedem Winkel der Insel seit ihrer Flucht
irgend etwas von ihr erfahren. Da er unter der Dienerschaft des Palastes einen
Fremden, blassen, hagern und schwermütig aussehenden jungen Mann erblickte,
fragte er, wer er wäre, und erhielt zur Antwort: Ein junger Kaufmann aus
Ispahan, der Schiffbruch gelitten und den man aus Menschenleibe aufgenommen
hätte. Ibrahim bat nun den Wesir des Sultans Dara, zu seinem Herrn
zurückzukehren und ihn von der Vergeblichkeit ihrer Nachsuchungen zu
benachrichtigen, indem er ihn zugleich bat, den vermeintlichen Kaufmann in sein
Gefolge aufzunehmen und ihn bis Ispahan, durch welche Stadt die Reise ging,
mitzunehmen. Dies wurde bewilligt; die beiden Minister nahmen freundlich
Abschied voneinander, und jeder zog seines Weges.

Dem Wesir des Sultans Dara gefiel das angenehme Wesen des
vermeintlichen Kaufmanns so sehr, dass er sich sehr oft vertraulich mit ihm
unterhielt. Diese Vertraulichkeit ermutigte den jungen Mann, ihn nach der
Veranlassung einer so weiten Reise zu fragen. Der Wesir erzählte ihm nun von
der Ankunft der schönen Wird-al-Ikmam an dem Hof des Sultans Dara, von der
Teilnahme, welche sie diesem Fürsten eingeflösst, von dessen Wunsch, ihrem
Missgeschick ein Ende zu machen, und von dem Zweck seiner fruchtlosen Sendung.
Bei diesen Worten konnte Ins-al-Wudschud sich nicht länger zurückhalten. Er
nannte sich dem Wesir, der ihn mit Zärtlichkeit umarmte und ihm zu diesem
Zusammentreffen, das ihn zu seiner Geliebten führte, Glück wünschte. Er
behandelte ihn von nun an mit der größten Aufmerksamkeit, versah ihn mit
reichen Kleidern und erwies ihm alle Achtung, die einer Person zukam, an welcher
sein Sultan so lebhaften Anteil nahm. Ins-al-Wudschud, der nun in seinem Gemüt
beruhigt und voll freudiger Erwartung war, lebte und blühte wieder auf, so dass
er bei seiner Ankunft in der Hauptstadt des Sultans Dara alle seine frühere
Männlichkeit und Schönheit wieder hatte.

Als der Wesir dem Sultan Dara den glücklichen Erfolg
seiner Reise mitgeteilt hatte, verlangte dieser den jungen Mann zu sehen, der
nun vor dem Thron erschien und sich mit der sicheren Ehrfurcht eines geübten
Hofmannes betrug. Der Sultan begrüßte ihn freundlich, ließ ihn nieder sitzen
und sich dann von ihm seine Abenteuer erzählen. Er wob in seine beredte
Erzählung poetische Anführungen und Stehgreifverse ein, welche den
verschiedenen Zufällen und Lagen angemessen waren. der Sultan freute sich sehr
über das Gehörte, schickte nach einem Kadi und nach Zeugen, um das Eheband
zwischen dem glücklichen Ins-al-Wudschud und der schönen Wird-al-Ikmam zu
knüpfen, und sandte zugleich einen Boten an den Sultan Schamich und seinen
Wesir Ibrahim, die ihre vermeintlich unwiederbringlichen Verluste, der eine den
seines Lieblings und der andere den seiner Tochter, beweinten. Sultan Dara
behielt das glückliche Paar eine Zeitlang an seinem Hof und entließ sie sodann
mit köstlichen Geschenken in ihr eigenes Land, welches sie sicher erreichten.
Dort empfingen sie der Sultan und der reuige Wesir mit der herzlichsten Freude,
und dieser letztere machte durch sein jetzigen Betragen seine frühere Härte
und Strenge wieder gut. So genossen die Liebenden, durch die Gunst des Sultans
und ihrer Familie beglückt, jeder Erdenfreude, bis der Todesengel sie in die
Ewigkeit rief.