Project Description

594. Nacht

Der Sultan beschloss trotz seiner gezwickten Nase, sich
noch ferner mit den Opiumessern zu ergötzen, und ging am folgenden Abend in
neuer Verkleidung mit dem Wesir in des Kadis Haus, wo er die Genossen in toller
Lustigkeit fand. Sie hatten sich’s in den Kopf gesetzt, zu tanzen, und tanzten
mit solcher Heftigkeit und so lange, bis sie endlich vor Müdigkeit umfielen.
Als sie sich etwas ausgeruht hatten, sagte der Fischer, den Sultan erblickend:
„Woher kommst Du?“ – „Wir sind Fremde,“ versetzte der
Sultan, „und erst in dieser Nacht hier angekommen. Da wir jedoch, indem wir
durch die Straßen zogen, Eure Lustigkeit hörten, so waren wir so dreist,
einzutreten, um sie mit Euch zu teilen. Fürchtet ihr Euch denn aber nicht, dass
der Sultan Euch auf der Runde, die er zu machen pflegt, hören und wegen Eurer
übertretung des Gesetzes bestrafen könnte?“ – „Wie sollte uns der
Sultan hören?“, erwiderte der Fischer. „Der ist in seinem Palast, und
wir sind in unserem Haus, vermutlich aber lustiger als er, der arme Kerl, der
mit seinen schweren Regierungssorgen trotz seinem Glanz belastet ist.“

„Wie kommt’s,“ versetzte der Fürst, „dass
ihr den Sultan nicht besucht habt? Denn ihr seid lustige Leute, und ich glaube,
dass er euch aufmuntern würde.“ – „Wir fürchten,“ entgegnete
der Fischer, „dass seine Wachen uns fortjagen möchten.“ –
„Keineswegs,“ sagte der Sultan, „und wenn ihr wollt, so will ich
Euch ein Empfehlungsschreiben an ihn mitgeben, das er gewiss beachten wird; denn
wir waren Jugendfreunde.“ – „Wohlan, gebet es uns,“ rief der
Fischer. Der Sultan schreib einen an sich selbst gerichteten Brief und ging.

Am Morgen gingen der Kadi und der Fischer in den Palast
und übergaben das Schreiben einem von der Wache, der, als er es erblickte, es
an sein Haupt hielt, sich niederwarf und sie dann zu dem Sultan führte. Als
dieser den Brief gelesen hatte, befahl er, sie in besondere Zimmer zu führen
und sie mit Achtung zu behandeln. Mittags wurde jedem ein Imbiss vorgesetzt und
abends ein vollständiges Mahl, dem der Kaffee folgte. Nach zwei Stunden ließ
der Sultan sie rufen, erwiderte ihre Begrüßung, ließ sie Platz nehmen und
fragte, wer ihnen den Brief gegeben hätte.

„Mächtiger Sultan,“ versetzte der Fischer,
„in vergangener Nacht besuchten zwei Männer unser Haus und fragten, warum
wir nicht zu Euer Majestät gingen und an Euer Güte teilnähmen. Wir
erwiderten, dass wir von den Wachen weggetrieben zu werden fürchteten, worauf
er uns dieses Schreiben gab und uns sagte, wir möchten keine Furcht hegen und
es als eine Empfehlung dem Sultan, mit dem er in seiner Jugend sehr vertraut und
befreundet gewesen, übergeben. Wir folgten seiner Anweisung und haben seine
Worte bewährt gefunden. wir befragten die beiden Leute, woher sie kämen; aber
sie sagten uns nur, dass sie in dieser Stadt fremd wären.“ – „Es
ist,“ fuhr der Sultan fort, „unumgänglich notwendig, dass ihr sie in
meine Gegenwart bringt, denn es ist lange her, dass ich meine alten Freunde
nicht gesehen habe.“ – „So erlaube uns,“ sagte der Fischer,
„nach Hause zu gehen, wo sie uns vermutlich wieder besuchen werden, und wir
wollen sie nötigen, mit uns zu kommen.“ – „Wie wollt ihr das
machen,“ sagte der Sultan, „da ihr gestern Abend Euren Gast nicht vom
Entwischen abhalten konntet, obgleich ihr ihn bei der Nase hattet?“

Der arme Fischer und sein Gefährte, der Kadi, waren nicht
wenig über die Entdeckung bestürzt, dass es der Sultan selber gewesen, der
ihre Berauschung und ihre tollen Streiche gesehen hatte. sei erblassten,
zitterten, warfen sich auf der Erde und schrieen: „Verzeihung, Verzeihung,
gnädiger Herrscher, für die Beleidigungen, die wir in unserem Wahnsinn der
geheiligten Person Euer Majestät angetan haben!“

Nachdem der Sultan herzlich über ihre Verwirrung gelacht
hatte, sagte er: „Ich verzeihe Euch, denn Eure Beleidigungen waren
unwillkürliche, obgleich ich, da ich als ein Zudringling in eure Wohnung kam,
sie verdiente. Seid munter und setzt Euch; aber jeder von euch muss mir seine
Abenteuer oder eine andere hübsche Geschichte erzählen.“ Der Kadi und der
Fischer gehorchten, nachdem sei sich von ihrer Verwirrung erholt hatten, dem
Sultan, und der Fischer erzählte, als sie sich gesetzt hatten, folgende
Geschichte: