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556. Nacht

Sobald der Sultan dies vernahm, änderte er seine Farbe,
wurde bleich und fiel in Ohnmacht. Als er wieder zu sich gekommen war, bleib er
eine ganze Weile in tiefe Betrachtung versunken, worauf er ausrief: „Ich
schwöre bei dem, der mich zum Schirm seines Volkes machte, dass wenn ich Deine
Behauptung wahr befinde, ich meine Krone niederlegen und Dir abtreten will; denn
die Königswürde kommt mir dann nicht länger zu: Sollten jedoch Deine Worte
grundlos befunden werden, so töte ich Dich augenblicklich.“ – „Dein
Wille ist Gesetz,“ erwiderte der Gauner.

Der Sultan erhob sich nun, ging in den Harem, und indem er
mit gezogenem Schwert in das Zimmer seiner Mutter stürzte, rief er aus:
„Bei dem, der den Himmel von der Erde schied, wenn Du nicht wahrhaft
beantwortest, was ich Dich befragen werden, so hau ich Dich mit diesem Säbel in
Stücke.“ Die vor Schrecken zitternde Königin sagte: „Was willst Du
denn von mir wissen?“ – „Sage mir,“ versetzte der Sultan,
„wessen Sohn ich bin?“ – „Da nur die Wahrheit mich retten
kann,“ rief die Fürstin aus, „so wisse, dass Du der Sohn eines Kochs
bist. Mein Gatte hatte weder Söhne noch Töchter: Worüber er traurig wurde und
Gesundheit und Esslust verlor. In einem Hof des Harems hatten wir mehrere
Gattungen von Vögeln, und da der Sultan eines Tages Lust bekam, einen davon zu
essen, so befahl er dem Koch, ihn zu schlachten und zuzurichten. Ich befand mich
damals eben im Bad allein.

Als ich nun aus dem Bad,“ fuhr die Sultanin fort,
„den Koch gewahrte, der den Vogel zu fangen suchte, flößte mir Satan den
Gedanken ein, dass ich nach dem Tod des Sultans allen meinen Einfluss verlieren
würde, wenn ich keinen Sohn zur Welt brächte. Ich führte den Mann in diese
Versuchung, und Du bist die Frucht dieses Verbrechens. Die Zeichen meiner
Schwangerschaft blieben nicht lange aus; und als der Sultan sie erfuhr, wurde er
wieder gesund, freute sich ausnehmend und gab bis zum Tag meiner Niederkunft
seinen Ministern und Hofleuten täglich Geschenke. Er befand sich an jenem Tag
gerade auf dem Land und auf der Jagd. Als er aber die Nachricht von der Geburt
eines Sohnes erhielt, kehrte er augenblicklich zu mir zurück und gab den
Befehl, die Stadt auszuschmücken, welches aus Achtung für den Sultan vierzig
Tage hintereinander geschah. Das war mein Verbrechen und Deine Geburt.“

Der Sultan kehrte nun zu dem Abenteurer zurück und befahl
ihm, sich zu entkleiden. Nachdem dieser Befehl vollzogen war, legte ihm der
Sultan, der sich selbst entkleidet hatte, die königlichen Kleider an und sagte
dann: „Unterrichte mich, woraus Du schlossest, dass ich ein Bastard
wäre.“

„Herr,“ versetzte der Abenteurer, „als
jeder von uns seine Geschicklichkeit auf Dein Begehren erwies, so befahlest Du,
jedem von uns nur einen Anteil an Brot zu geben. Hieraus schließe ich, dass Du
der Sohn eines Kochs bist; denn es ist die Gewohnheit der Fürsten, das
Verdienst mit Reichtum und Ehre zu belohnen, Du hast uns jedoch nur mit
Lebensmitteln aus Deiner Küche belohnt.“ Der Sultan antwortete: „Du
hast wahr gesprochen.“ Er ließ ihn nun die übrigen königlichen
Kleidungsstücke und den königlichen Schmuck anlegen und setzte ihn auf den
Thron, worauf er sich selbst als Derwisch verkleidete und sein abgetretenes
Besitztum verließ.

Als der glückliche Abenteurer sich nun im Besitz des
Thrones sah, schickte er nach seinen Genossen, und da sie ihn in seinen königlichen
Kleidern nicht erkannten, so entließ er sie mit reichlichen Geschenken, befahl
ihnen aber, das Gebiet seines Lands mit der größten Schnelligkeit zu
verlassen, damit sie ihn nicht erkennen möchten. Hierauf erfüllte er die
Pflichten seines neuen Standes mit einer Freigebigkeit und Würde, welche ihn
von allen Einwohnern der Hauptstadt und aller Provinzen segnen und sie für die
Verlängerung seiner Herrschaft beten ließen.