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532. Nacht

Der Jüngling wusste nicht, wem er diese Verwandlung, die
so plötzlich mit ihm vorging, zuschreiben sollte; aber er wurde bald noch weit
mehr überrascht, als er Asad-bacht zu der Königin sagen hörte: „Da ist
er, der geleibte Sohn, welchen wir in Kerman zurückzulassen gezwungen
wurden!“ Die Königin fiel ihm um den Hals, vergoss Freudentränen und
hielt ihn lange innig umarmt.

Die zehn Wesire, deren treulose Einflüsterungen beinahe
den Untergang des jungen Prinzen bewirkt hätten, wurden auf der Stelle
enthauptet.

Asad-bacht räumte seinem Sohn den Thron ein. Die Großen
des Reiches kamen, ihm den Eid der Treue zu leisten, und prächtige Feste
feierten dieses freudige Ereignis.

Farek-Serwar wurde zum Großwesir ernannt, vergaß sein
altes Gewerbe und regierte unter den Befehlen seines Pflegesohnes mit so viel
Weisheit und Glück, dass diese ruhmvolle Regierung einen tiefen Eindruck in dem
Gedächtnis der Menschen zurückließ, welche in ihren Geschichtsbüchern das
Andenken davon aufbewahrt haben.“

Diese Erzählung ergötzte den Sultan sehr, und er
bezeugte Scheherasade das Vergnügen, welches dieselbe ihm gewährt hatte.

Da der Tag sich noch nicht zeigte, so fing sie
folgendermaßen eine neue Geschichte von Asem und der Geisterkönigin an.

Geschichte
Asems und der Geisterkönigin

„Herr,“ sprach sie, „es lebte einst in der
Stadt Balsora ein junger Mann namens Asem, welcher das Färberhandwerk trieb.
Ungeachtet er sehr in Ruf war durch die geschmackvolle Wahl seiner Farben sowie
durch die Schönheit seiner Gestalt und die Anmut seines Geistes, so war er doch
nicht reich und ernährte von dem Ertrag seiner Arbeit noch seien alte Mutter,
die bei ihm wohnte. Unterdessen verschaffte seien Liebenswürdigkeit und seine
Geschicklichkeit ihm täglich Zuspruch, und er hätte durch sein Gewerbe sein
Glück machen können, wenn das Schicksal ihn nicht zu andern Abenteuern berufen
hätte.

Eines Tages, als er bei seiner gewöhnlichen Arbeit
beschäftigt war, sah er einen reich gekleideten Fremden in seien Werkstatt
treten, welcher bei seinem Anblick ausrief: „Wie, ein junger Mann von Eurer
Bildung und so wie ihr mit Geist begabt, kann sich einem solchen Handwerk
hingeben?“

„Ich schäme mich nicht,“ sprach Asem,
„meines ehrlichen Gewerbes, und ich weiß meine Wünsche zu
beschränken.“

„Wenn indessen,“ fuhr der Fremde fort,
„sich Euch ein Mittel darböte, schnell Euer Glück zu machen, würdet Ihr
Euch weigern, es zu benutzen?“ –

„Nein, wenn es mein Gewissen nicht beschwerte, so
würde es mir die höchste Freude sein, meiner Mutter einige Annehmlichkeiten zu
verschaffen, und meine Studien fortzusetzen, welche zu unterbrechen mein
Handwerk mich gezwungen hat.“

„Mein Sohn,“ sprach hierauf der Greis mit
falscher Freundlichkeit, „Eure Wünsche sollen erfüllt werden. Ihr habt
Euren Vater verloren, ich will ihn Euch ersetzen: Von diesem Augenblick nehme
ich Euch als meinen Sohn an: Ich verstehe die kostbare Kunst, die schlechtesten
Metalle in Gold zu verwandeln, und ich kann in einem Augenblick Euer Glück
machen. Seid morgen früh bei guter Zeit in Eurem Laden, ich werde auch
wiederkommen.“

Mit diesen Worten nahm der Fremde Abschied von Asem, und
verließ ihn, ganz verwundert über das, was er so eben gehört hatte.

Die Worte des Grieses hatten die Neugier und den Ehrgeiz
des jungen Mannes aufs höchste gereizt: Er schließt alsbald seinen Laden, und
das Herz voller Freude, eilt er hin, seiner Mutter zu verkündigen, was ihm so
eben begegnet ist.

„Mein Sohn,“ sprach die gute Frau zu ihm,
nachdem sie einen Augenblick nachgedacht hatte, „nimm Dich wohl in Acht:
Ich fürchte, hinter der Höflichkeit dieses Fremden steckt irgend eine Arglist.
Beobachte ihn aufmerksam. In meinem Alter kennt man die Bosheit des menschlichen
Geschlechts: Bleib, mein Sohn, in Deinem bescheidenen aber glücklichen Stand.
Bist Du nicht reich genug, da Du unsere Bedürfnisse bestreiten kannst?“

Asem war betroffen über den guten Rat seiner Mutter, und
versprach ihr, auf seiner Hut zu sein. Sie aßen ruhig zum Abend, und legten
sich zu Bett. Aber Asem konnte nicht einschlafen, er erwartete mit Ungeduld den
Anbruch des Tages, als das Zeichen des Stelldicheins.