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531. Nacht

Sogleich ging der König in sein Zimmer zurück; er ließ
die beiden Schuldigen kommen und zwang sie, die Anstifter ihres Frevels zu
nennen. Tief betrübt über sein unfreiwilliges Verbrechen, wollte dieser Fürst
wenigstens den Mord Abutemams rächen: Er ließ die zehn Wesire verhaften, ihnen
die Köpfe abhauen und befahl, ihre Häuser zu schleifen. Aber diese
unerquickliche Gerechtigkeit enthob ihn nicht, sein ganzes übriges Leben den
unschuldigen Mann zu beweinen, welchen er getötet hatte.“

Als Bacht-jar hiermit aufgehört hatte zu reden, wollte
der König ihn abermals ins Gefängnis zurückschicken: Aber die zehn Wesire und
die Großen des Reichs, unwillig über diese Schwachheit, forderten mit lauter
Stimme seine Hinrichtung und drohten, den Hof zu verlassen, wenn der König ihn
durch eine unwürdige Verzeihung entehrte. Die Königin selber vereinigte sich
mit den Wesiren und drang auf seine Bestrafung. Aber der König konnte sich
nicht entschließen, die Hinrichtung des Jünglings zu befehlen und Zeuge
derselben zu sein, und übergab sein Schicksal ihren Händen.

Man ließ nun Bacht-jar dem König aus den Augen führen,
und die Ausrufer verkündigten dem Volk durch die ganze Stadt, dass seine
Hinrichtung auf dem öffentlichen Platz stattfinden sollte, wo alsbald eine
zahllose Volksmenge zusammenlief. Aber bei Bacht-jars Anblick wurden aller
Herzen durch seine Jugend und sein unschuldiges aussehen innigst gerührt.

Durch einen glücklichen Zufall kam Farek-Serwar, der
Räuberhauptmann, von welchem ich schon erzählt habe, gerade im selbigen
Augenblick in die Stadt, als alles dieses vorging. Fortgezogen durch den Storm
der Menge nach dem öffentlichen Platz, erblickte er nicht ohne Erstaunen seinen
Pflegesohn, den man zur Hinrichtung führte. Alsbald hört er nur auf die Stimme
seines Mutes, und an der Spitze seiner braven Gefährten stürzt er hervor, und
ohne dass das Volk an Widerstand denkt, versucht er es mit ihnen, Bacht-jar zu
befreien. Aber die Wache überwältigte sie und führte sie vor den König,
welcher sie befragte, was sie zu diesem verwegenen Unternehmen angetrieben
hätte.

„Herr,“ antwortete Farek-Serwar, „dieser
Jüngling ist mein Sohn, er ist lange bei mir gewesen, und ich weiß, er ist von
englischem Gemüt und so gut, dass, wenn Euer Majestät seinen Tod befiehlt, Ihr
auch zugleich den meinen befehlen müsst. Ach! Wenn sein Vater und seine Mutter,
die ohne Zweifel zu einem Fürstenhaus gehören, wüssten, wo er sich befindet,
sie würden ohne Zweifel nicht dulden, dass man ihn nur scheel ansähe.“

Bei dieser Rede fing der König an zu lachen. „Du
redest irre,“ sprach er, „erst sagst Du uns, dieser Jüngling sei Dein
Sohn, und dann setzest Du hinzu, dass sein Vater und seine Mutter von
königlichem Geblüt sind.“

„Ich kann Euch gleich diesen Widerspruch
lösen,“ antwortete Farek-Serwar. „Eines Tages, als ich die Wüsten
von Kerman durchstrich, fand ich ihn als neugeborenes Kind am Ufer eines Sees:
Es war in Goldstoff gekleidet und trug um den Hals ein köstliches Halsband aus
zehn schönen Perlen …“

„Hast Du dieses Kleinod noch?“, unterbrach ihn
ungestüm der König.

„Ja, Herr, und ich kann es Euch zu Füßen
legen,“ antwortete der alte Pflegevater Bacht-jars.

Der König erkannte sogleich den Schmuck seines Sohnes und
zweifelte nicht mehr an der Wahrheit. Er lief hin und zeigte die Sachen der
Königin, welche sie ebenso wohl erkannte. „Herr,“ reif sie aus,
„welche Kunde habt Ihr von unserem Sohn?“

„Da ist er selber,“ antwortete Asad-bacht; und
zu gleicher Zeit ließ er Bacht-jar herführen: Er bemühte sich selber, ihm die
Ketten abzunehmen und ihm königliche Kleider anzulegen.