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529. Nacht

Bald sprach man nur von der Freigebigkeit und den
Reichtümern des Fremden. Der Ruhm seiner Wohltaten kam auch zu den Ohren des
Königs. Dieser Fürst war erfreut, ins einem Königreich einen Mann zu haben,
der so viel Gutes tat, und schickte einen von seinen Hofleuten hin und ließ ihn
zu sich entbieten.

Als dieser Abgesandte sich seiner Botschaft entledigt
hatte, küsste Abutemam den Boden zum Zeichen des Gehorsams und antwortete, er
würde den Befehlen des Königs Folge leisten.

Sobald Abutemam sich wieder allein sah, machte er alle
Anstalten, dem Befehl des Fürsten zu genügen; er nahm prächtige Geschenke mit
und ließ sie dem König darbieten, der ihm sogleich Zutritt bewilligte und ihn
mit allen Beweisen der Teilnahme und der Gewogenheit empfing. Er ließ ihn zu
sich auf den Thron steigen, und als nach einer langen Unterhaltung Abutemam sich
wieder entfernen wollte, sagte der König zu ihm, er wünschte ihn alle Tage zu
sehen, und forderte von ihm das Versprechen, sein Verlangen zu erfüllen.

Abutemam fügte sich seinen Wünschen, und in kurzer Zeit
wurde er der Vertraute und innige Freund des Königs, der keinen Entschluss mehr
fasste, ohne ihn zu Rate zu ziehen, und ihm seine geheimsten Gedanken
anvertraute.

Die Gunstbezeigungen verfehlten nicht, die Eifersucht der
zehn Wesire des Königs zu erregen, die mit Verdruss ihren Herrn sein Vertrauen
auf Abutemam übertragen sahen, welches er ihnen bisher geschenkt hatte; sie
schworen seinen Untergang, und durch folgendes Mittel gedachten sie sich von dem
unbequemen Günstling zu befreien.

Der Chan der Tatarei hatte eine reizende Tochter, von
welcher er sich nicht trennen wollte, und er ließ alle Gesandten hinrichten,
welche um sie anzuhalten kamen. Sie verabredeten sich nun, vor dem König große
Lobeserhebungen von dieser Prinzessin zu machen, um ihn zu vermögen, dem
Abutemam eine Gesandtschaft an den Chan der Tatarei zur Bewerbung um seine
Tochter aufzutragen.

Als sie diesen Anschlag gemacht hatten, begaben sie sich
insgesamt zum König. Einer der Wesire ließ geschickt die Unterhaltung auf die
Tochter des Königs von Turkestan fallen und rühmte ihre Anmut und Schönheit;
mit einem Wort, sie wussten es so zu drehen, dass der König sich in die Tochter
des Königs der Tatarei verleibte und ihrem Rat zufolge den Entschluss fasste,
Abutemam als Gesandten zu diesem Fürsten zu schicken, um die Hand der
Prinzessin anzuhalten.

Abutemam gehorchte seinem König, er machte alle
Vorbereitungen zur Reise, und in kurzer Zeit hatte er die Hauptstadt des
Königreiches erreicht, wohin er gesandt war.

Er erhielt bald Gehör und eröffnete mit wenigen Worten
den Zweck seiner Sendung. Der König der Tatarei antwortete ihm, die Bewerbung
eines so großen Fürsten wäre ihm zwar sehr schmeichelhaft; „aber,“
fügte er hinzu, „es wäre möglich, dass meine Tochter Eurem Herrn nicht
anstände; geht also in meinen Harme, dort könnt Ihr sie sehen, mit ihr
sprechen und danach ermessen, ob sie dem Fürsten gefallen werde, welcher Euch
her sendet.“

„Gott behüte mich,“ erwiderte Abutemam,
„dass ich es wagte, auf diejenige meine Augen zu richten, welche zur
Gemahlin meines Herrn bestimmt ist. Wahrlich, wenn die Prinzessin seiner nicht
würdig wäre, so würde die Vorsehung nicht gestattet haben, dass er in sie
verliebt wurde.“