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508. Nacht

Kamkar begab sich auf der Stelle nach Hause, und erzählte
seiner Tochter die soeben mit dem König gehabte Unterredung. Er war sehr
erstaunt, als er sie folgendermaßen antworten hörte: „Es ist mir sehr
schmeichelhaft, mein Vater, dass der König geruht hat, seine Gedanken auf mich
zu richten. Aber ich fühle, dass ich für den Glanz des Hofes nicht geeignet
bin, und dass ich nicht im Stande sein würde, alle die Obliegenheiten zu
erfüllen, welche ein so hoher Rang, wie der mir angetragene ist, mir auferlegen
würde. Die Weltweisen haben mit voller Wahrheit die Könige den beiden Elemente
des Wassers und des Feuers verglichen: Wie diese, sind sie wandelbar, und
zerstören stets, was ihnen zu nahe kommt: Ihr werdet es also nicht auffallend
finden, dass ich die mir erbotene Ehre ablehne.“

„Ich will Deinen Wünschen nicht entgegen sein, meine
Tochter,“ erwiderte Kamkar, „aber bedenke die Folgen, welche Dein
Entschluss nach sich ziehen kann. Wenn ich dem König Deine Antwort überbringe,
so wird der erzürnte Fürst mich unfehlbar hinrichten lassen. Wie wollen wir
uns aus dieser schwierigen Lage ziehen?“

„Ich sehe nur ein Mittel dazu,“ antwortete seine
Tochter, „nämlich dem König zu sagen, dass ich einwillige, seine Gemahlin
zu werden, aber einen Aufschub von zehn Tage begehre. Diese Zeit wird hinreichen
zu unserer Flucht aus dem Königreich.“

Kamkar billigte diesen Vorschlag, und begab sich wieder zu
dem Sultan, um die Ausführung desselben zu beginnen. „Herr,“ sprach
er zu ihm, „die Tochter Eures Sklaven fühlt sich durch die Güte höchst
geehrt, womit Euer Majestät sie zu überschütten würdigt, und sie freut sich
der ausgezeichneten Gnade, welche Ihr ihr zugedacht habt. Sie bittet Euch nur um
einen Aufschub von zehn Tagen, um sich auf eine so wichtige Feierlichkeit
vorzubereiten.“

„Ich bewillige sie ihr gern,“ sprach der König,
„und überdies gebe ich Dir einen Urlaub von zehn Tagen, damit Du Dich
ausschließlich mit den Vorbereitungen zu unserer Verbindung beschäftigen, und
dafür sorgen kannst, dass alles auf angemessene Weise vollzogen werden.“

Kamkar küsste den Boden, und kehrte zu seiner Tochter
heim. Sogleich begannen beide alles vorzubereiten, was zu ihrer Flucht nötig
war. Noch in derselben Nacht verließen sie, in Begleitung zweier ergebener
Sklaven, die Stadt.

Als der Sultan am folgenden Morgen die Nachricht von der
Flucht des Wesirs mit seiner Tochter vernahm, geriet er in großen Zorn, und gab
sogleich Befehl, ihnen nachzusetzen. Der Wesir Kardar wollte keinem andern diese
Verfolgung überlassen, und versprach, die Flüchtlinge aufzusuchen, wo sie auch
immer verborgen sein möchten. Der König vertraute diese Angelegenheit seiner
Sorgfalt, und dankte ihm sehr für seinen Eifer.