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499. Nacht

Seine Frau wollte ihn bereden, zu Pferde zu steigen, und
eine Jagd gegen diese reißende Tier anzustellen, welches so viel Schaden
stiftete. Aber Abu-Szaber antwortete Ihr: „Geduld, Geduld!“ Bei allen
Ereignissen des Lebens ist das der beste Rat. Der Löwe, der uns so viel Schaden
tut, ist wild und bös: Früher oder später wird Gott, dessen Gerechtigkeit die
Geißel der Bosheit ist, ihm schon seine Strafe zuschicken. Lass es uns
abwarten.“

Abu-Szaber hatte Recht: Einige Zeit danach wurde der Löwe
von dem König getötet, welchem er auf einer Jagd begegnete. „Siehst
Du,“ sprach Abu-Szaber nun zu seiner Frau, „hatte ich Unrecht, zu
behaupten, dass Gott immer die Bösen bestraft? Hätte ich mich mit dem Löwen
in einen Kampf eingelassen, vielleicht wäre ich dabei umgekommen: Der König
selber hat Mühe gehabt, ihn zu erlegen. Du siehst, wir haben wohl getan, zu
warten.“

Kurze Zeit danach wurde im Dorf ein Mensch ermordet. Der
König ließ zur Bestrafung der Einwohner, welche den Schuldigen nicht
nachweisen konnten, alle Häuser schleifen und plündern. Abu-Szaber verlor
dabei den größten Teil seines Vermögens.

„Wir müssen uns schleunigst beschweren,“ sprach
Abu-Szabers Gattin zu ihrem Mann. „Am Hof weiß alle Welt, dass Du
unschuldig bist: Fordere vom König wieder, was Du verloren hast, und Du bist
wohl sicher, es zu erhalten.“

„Geduld, Geduld! Liebe Frau,“ antwortete
Abu-Szaber, „der König hat das Unrecht getan, der König wird auch dafür
bestraft werden: Wer immer seinem Nächsten sein Eigentum nimmt, muss dereinst
auch das seine verlieren.“

Diese Rede vernahm ein neidischer Nachbar, der sogleich
hinging und sie dem König hinterbrachte. Wütend über die Unverschämtheit
Abu-Szabers, ließ dieser Fürst ihm nun auch alles wegnehmen, was ihm noch
übrig geblieben war, und ihn aus seiner Pachtung vertreiben, samt seiner Gattin
und seinen Kindern.

„Da siehst Du’s,“ sprach Abu-Szabers Frau,
„habe ich es Dir nicht gesagt, dass Dein Zaudern und Dein Abwarten mit
unserm Untergang enden werde? Da sind wir jetzt in einer schönen Lage, ohne
Hilfsmittel, ohne Zufluchtsort!“

„Geduld, Geduld, liebe Frau!“, antwortete stets
unerschütterlich Abu-Szaber, „die Geduld findet früher oder später Ihren
Lohn.“

Indem er diese Worte aussprach, sah er eine Räuberbande
über ihn und die Seinen herstürzen. Diese Räuber begnügten sich nicht, ihnen
auch das Wenige zu nehmen, was ihnen noch übrig geblieben war, sie beraubten
sie sogar ihrer Kleider, und führten zwei von Abu-Szabers Kindern mit weg.

Da schrie seine Frau mit kläglicher Stimme: „Im
Namen Gottes, mein lieber Mann, lauf diesen Räubern nach, und flehe ihr Mitleid
an, weil Du nicht gegen sie streiten kannst! Siehst Du nicht, dass sie unsere
Söhne wegschleppen?“

„Geduld, liebe Frau!“, antwortete Abu-Szaber,
„das Böse fällt stets auf seinen Urheber zurück, wenn ich diesen
Räubern nachlaufe und einer von ihnen mich tötet, was soll aus Dir allein auf
der Welt werden? Geduld! Sage ich Dir, das ist das einzige Mittel für unsere
Leiden.“