Project Description

492. Nacht

Am folgenden Tag trat der zweite Wesir vor den König, und
nachdem er ihm die gebräuchliche Ehrerbietung bezeigt hatte, sprach er:

„Herr, möge die Regierung Euer Majestät ebenso lang
als glücklich sein! Möge die königliche Binde des ganzen Erdkreises eure
erhabene Stirn umkränzen! Mögen die Sorgen von eurem Palast fern bleiben, und
die Welt des Friedens und der Ruhe genießen, eure Feinde dagegen zu Schanden
werden! Aber, Herr, alle diese Wünsche können nicht in Erfüllung gehen, bevor
Euer Majestät nicht die beklagenswerte Angelegenheit in Betreff des Bacht-jar
beendigt hat. ich fürchte sogar, dass die Kunde davon, wenn sie zu den
benachbarten Königen gelangt, euern Hof in übeln Ruf bringen werde.“

Asad-bacht befahl nun, den Schuldigen und den
Scharfrichter kommen zu lassen. Als beide vor ihm standen, sprach er:
„Jüngling, ich habe befohlen, dass die Wurzeln deines Lebens aus dem Boden
meiner Staaten gerissen werde, um durch deine Bestrafung diejenigen
abzuschrecken, die etwa noch versucht wären, deinem Beispiel zu folgen.“

„Herr,“ antwortete Bacht-jar, „möge der
Himmel die glückseligen Tage Euer Majestät verlängern, und eure Herrschaft
mit Ruhm krönen! Das ist mein letzter Wunsch vor dem Tod. Jedoch sei es mir
noch vergönnt, meine Unschuld zu beteuern. Nein, ich bin nicht schuldig: Ich
schwöre es bei Gott! Aber, ach! Wozu helfen mir diese Reden! Unaufhörlich den
Schlägen des Schicksals bloßgestellt und von meinem Unstern verfolgt, geht es
mir, wie jenem Kaufmann, der alles was er unternahm misslingen sah, weil das
Glück ihn verlassen hatte.“

„Was für Abenteuer hatte dieser Kaufmann?“,
fragte der König hierauf: „Sie sind mir unbekannt, und ich will sie
wissen.“

Dieser Befehl erfüllte den jungen Angeklagten mit
Freuden, und nachdem er dem König seine Glückwünsche und Danksagungen dafür
dargebracht hatte, begann er mit folgenden Worten:

Geschichte
des vom Glück verlassenen Kaufmanns

„Herr, es lebte einst zu Balsora ein Kaufmann von
unermesslichem Vermögen. Aber es stand dort oben geschrieben, dass er von dem
Glanz der Reichtümer in die tiefe Dunkelheit des Unglücks hinabsinken sollte:
In kurzer Zeit verschwand all sein Eigentum, und alles was er unternahm, hatte
einen unglücklichen Ausgang.

In dem einen Jahr war das Getreide missraten, und stieg
sehr hoch im Preis: Der Kaufmann bildete sich ein, dass die folgende Ernte noch
schlechter sein würde, und verwandte alle seine übrigen Gelder dazu, Getreide
in Säcken aufzukaufen, und es in einem großen Speicher niederzulegen, um es
für das nächste Jahr aufzubewahren. Er erwartete jeden Tag, dass der Preis des
Getreides steigen sollte: Aber, leider! Die Ernte fiel reichlich aus, und das
Getreide wurde zum Spottpreis verkauft.

Bei diesem großen überfluss beschloss der Kaufmann, sein
Getreide noch bis zum folgenden Jahr zu bewahren: Da fiel ein so ungeheurer
Regen, dass er die Häuser wegschwemmte, und bis in die Kornböden des Kaufmanns
eindrang.

Das feuchte Getreide dampfte bald einen so unerträglichen
Gestank aus, dass die Nachbarn bei der Stadtbehörde klagbar wurden, und er
gezwungen war, seine Speicher zu leeren, und seine Ware wegzuschütten.