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471. Nacht

Die Prinzen Bahman und Perwis ritten denselben Tag noch
heim. Als sie zu Hause kamen, erzählten sie ihrer Schwester die ehrenvolle
Aufnahme bei dem Sultan, und verkündigten ihr, sie hätten nicht vergessen, ihn
einzuladen, dass er ihnen die Ehre erzeigen möchte, im Vorbeireiten ihr Haus zu
besuchen und schon übermorgen würde sein Besuch erfolgen.

„Wenn dem so ist,“ sprach hierauf die
Prinzessin, „so müssen wir von Stund an daran denken, Seiner Majestät ein
würdiges Gastmahl zu bereiten, und deshalb ist es gut, unsern sprechenden Vogel
zu befragen. Er wird uns vielleicht ein Gericht anzeigen, welches mehr nach dem
Geschmack seiner Majestät ist, als andere.“

Da die Prinzen es ganz ihr überließen, was ihr hierin
ratsam schien, so befragte sie, als jene sich entfernt hatten, allein den Vogel.

„Vogel,“ sprach sie, „der Sultan wird uns
die Ehre erzeigen, unser Haus zu besuchen, und wir müssen ihn bewirten:
Unterrichte uns nun, wie wir es am besten anstellen, dass er damit zufrieden
sei.“

„Meine liebe Herrin,“ antwortete der Vogel,
„ihr habt vortreffliche Köche, lasst sie ihr bestes tun, aber vor allen
Dingen lasst sie eine Schüssel Gurken mit eine Füllung aus Perlen zurichten,
welche ihr dem Sultan vor allen andern Gerichten gleich bei der ersten Tacht
müsst aufsetzen lassen.“

„Gurken mit einer Füllung aus Perlen!“, rief
die Prinzessin Parisade mit Erstaunen aus: „Vogel, du bist nicht bei
Sinnen, das ist ein unerhörtes Gericht! Der Sultan könnte es freilich als eine
große Pracht bewundern, aber er ist doch bei Tisch um zu essen, und nicht um
Perlen zu bewundern. überdies, wenn ich auch alle Perlen, die ich habe, dazu
verwendete, so würden sie doch nicht ausreichen zu der Füllung.“

„Meine Gebieterin,“ versetzte der Vogel,
„tut, was ich euch sage, und beunruhigt euch nicht, was daraus entstehen
wird: Es wird nur Gutes sein. Anlangend die Perlen, so geht morgen in aller
Frühe nach dem ersten Baum eures Parks zur Rechten, und lasst an dessen Fuß
nach graben: Da werdet ihr mehr Perlen finden, als ihr nötig habt.

Noch denselben Abend bestellte die Prinzessin Parisade den
Gärtner zu der Arbeit, und am folgenden Morgen in aller Frühe, ging sie mit
ihm nach dem Baum, welchen der Vogel ihr bezeichnet hatte, und befahl ihm, am
Fuß desselben zu graben. Als der Gärtner beim Graben bis auf eine gewisse
Tiefe gekommen war, fühlte er Widerstand, und bald entdeckte er ein goldenes
Kästchen, ungefähr einen Fuß ins Gevierte groß, und zeigte es der
Prinzessin.

„Gerade deshalb habe ich dich hergeführt,“
sprach sie zu ihm: „Fahre fort, und nimm dich in Acht, es mit der Schaufel
zu verletzen.“

Der Gärtner zog endlich das Kästchen hervor, und
übergab es der Prinzessin. Da es nur durch kleine zierliche Krampen geschlossen
war, so öffnete es die Prinzessin, und sah, dass es voller Perlen war, alle von
mäßiger Größe, aber gleich, und zu dem beabsichtigten Gebrauch passend.

Sehr zufrieden mit dem Fund dieses kleinen Schatzes,
machte sie das Kästchen wieder zu, nahm es unter den Arm, und ging nach dem
Haus zurück, während der Gärtner die Erde am Fuß des Baumes wieder in den
vorigen Stand setzte.