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469. Nacht

„Aber, Vogel,“ wandte die Prinzessin ein,
„wir, meine Brüder und ich, wir lieben uns ohne Gleichen: Und sollte diese
Liebe durch solchen Schritt nicht beeinträchtigt werden?“

„Keineswegs,“ erwiderte der Vogel, „sie
wird nur umso stärker werden.“

„Auf solche Weise,“ versetzte die Prinzessin,
„wird der Sultan mich auch sehen.“

Der Vogel sagte darauf, es wäre notwendig, dass er sie
sähe, und es würde alles nur umso besser gehen.

Am folgenden Morgen stellten die Prinzen Bahman und Perwis
sich wieder zur Jagd ein, und schon aus der Ferne, so weit er nur mit der Stimme
reichen konnte, fragte sie der Sultan, ob sie daran gedacht hätten, mit ihrer
Schwester zu reden.

Der Prinz Bahman nahte sich, und antwortete ihm:

„Herr, Euer Majestät hat über uns zu gebieten, und
wir sind bereit zu gehorchen. Wir haben nicht nur keine Mühe gehabt, die
Zustimmung unserer Schwester zu erlangen, sondern sie hat es sogar missbilligt,
dass wir diese Rücksicht auf sie genommen haben, in einer Sache, welche unsere
Pflicht gegen Euer Majestät betrifft. Aber, Herr, sie hat sich dieser Achtung
so würdig gemacht, dass wir hoffen, Euer Majestät werde es uns verzeihen, wenn
wir gefehlt haben.“

„Lasst euch das nicht beunruhigen,“ erwiderte
der Sultan, „weit entfernt, es übel zu nehmen, was ihr getan habt, billige
ich es vielmehr so sehr, dass ich hoffe, ihr werdet für meine Person dieselbe
Anhänglichkeit haben, sofern ich irgend an eurer Freundschaft Teil habe.“

Die Prinzen antworteten, in der Verwirrung über die
übermäßige Güte des Sultans, nur durch eine tiefe Verneigung, um die tiefe
Ehrfurcht zu bezeigen, mit welcher sie dieselbe empfingen.

Der Sultan jagte diesen Tag, wider seine Gewohnheit, nicht
lange. Da er erkannte, dass die Prinzen nicht weniger Geist, als Tapferkeit und
Kühnheit besaßen, so bewirkte die Ungeduld, sich bequemer mit ihnen zu
unterhalten, dass er seine Heimkehr beschleunigte. Sie mussten unterwegs an
seiner Seite sein: Eine Ehre, welche der vornehmsten Hofleute seines Gefolges zu
geschweigen, selbst des Großwesirs Eifersucht erregte, der sich gekränkt
fühlte, sie vor ihm reiten zu sehen.

Als der Sultan in seine Hauptstadt einritt, heftete das
Volk, welches zu beiden Seiten die Straßen einfasste, nur die Augen auf die
beiden Prinzen Bahman und Perwis, und forschte, wer sie sein möchten, ob
Fremdlinge oder Eingeborene.

„Wer sie auch seien,“ sagten die meisten,
„wollte Gott, dass der Sultan uns zwei ebenso wohl gebildete und stattliche
Prinzen geschenkt hätte! Er könnte sie fast von demselben Alter haben, wenn
die Geburten der Sultanin, welche schon so lange dafür leidet, glücklicher
gewesen wären.“

Das erste, was der Sultan bei der Heimkehr in seinen
Palast tat, war, die Prinzen in den vorzüglichsten Zimmern umherzuführen, und
sie lobten deren Schönheit, Reichtum, Gerät, Zierraten und Anordnung, ohne
übertreibung, sondern wie Leute, welche sich darauf verstanden. Man trug
endlich ein prächtiges Mahl auf, und der Sultan hieß beide mit ihm sich zu
Tisch setzen. Sie wollten es anfangs ablehnen, aber sie gehorchten, sobald er
ihnen sagte, dass es sein Wille wäre.