Project Description

467. Nacht

Die Prinzen stiegen wieder zu Pferd, und folgten dem
Sultan. Sie waren noch nicht weit geritten, als sie mehrere Tiere zugleich
hervorkommen sahen. Der Prinz Bahman erwählte sich einen Löwen und der Prinz
Perwis einen Bären. Sie ritten sogleich mit einer Unerschrockenheit darauf los,
welche den Sultan überraschte. Sie erreichten fast zugleich ihr Tier, und
warfen ihre Speere mit solcher Geschicklichkeit, dass der Prinz Bahman den
Löwen, und der Prinz Perwis den Bären durchbohrte, und der Sultan die beiden
Tiere bald nacheinander fallen sah. Ohne sich aufzuhalten, verfolgte der Prinz
Bahman einen andern Bären und der Prinz Perwis einen andern Löwen, und in
kurzer Zeit durchbohrten sie auch diese, dass sie tot niederstürzten.

Sie wollten noch fortfahren, aber der Sultan gab es nicht
zu. Er ließ sie zurückrufen, und als sie wieder in seine Nähe gekommen waren,
sprach er zu ihnen:

„Wenn ich euch gewähren ließe, so würdet ihr bald
meine ganze Jagd verwüstet haben. Jedoch ist es nicht sowohl meine Jagd, welche
ich schonen will, als euch selber, deren Leben mit fortan sehr teuer ist, da ich
überzeugt bin, dass eure Tapferkeit mir einst noch nützlicher sein wird, als
sie mir eben ergötzlich gewesen ist.“

Kurz, der Sultan Chosru-Schach fühlte für die beiden
Prinzen eine so starke Zuneigung, dass er sie einlud, jetzt gleich bei ihm zu
bleiben und ihm zu folgen.

„Herr,“ erwiderte der Prinz Bahman, „Euer
Majestät erzeigt uns eine Ehre, welche wir nicht verdienen und wir bitten euch,
uns dieselbe gütigst zu erlassen.“

Der Sultan, der nicht einsah, welche Gründe die Prinzen
haben konnten, diesen Beweis seiner Achtung für sie abzulehnen, befragte sie
darum, und verlangte dringend Auskunft von ihnen.

„Herr,“ sprach nun der Prinz Bahman, „wir
haben eine jüngere Schwester, mit welcher wir in so inniger Eintracht leben,
dass wir nichts unternehmen, noch tun, ohne sie vorher zu befragen. Ebenso wie
sie ihrerseits nichts tut, ohne uns zu befragen.“

„Ich lobe sehr eure geschwisterliche Eintracht,“
erwiderte der Sultan, „befragt also eure Schwester, und morgen, wenn ihr
wieder mit mir zu jagen kommt, bringt mir ihren Bescheid.“

Die beiden Prinzen ritten heim, aber sie gedachten weder
der eine noch der andere, weiter an ihr Abenteuer, dass sie dem Sultan begegnet
waren und die Ehre gehabt hatten, mit ihm zu jagen, und erzählten auch nicht
einmal der Prinzessin, dass er sie hatte mit sich nehmen wollen.

Am andern Morgen als sie sich wieder bei dem Sultan zur
Jagd eingestellt hatten, fragte er sie:

„Nun, habt ihr mit eurer Schwester geredet? Hat sie
gern eingewilligt, dass ich das Vergnügen habe, euch näher um mich zu
sehen?“

Die Prinzen blickten einander an, und die Röte stieg
ihnen ins Angesicht.

„Herr,“ antwortete endlich der Prinz Bahman,
„wir bitten Euer Majestät um Entschuldigung: Weder mein Bruder, noch ich,
haben uns daran erinnert.“

„Erinnert euch doch heute daran,“ fuhr der
Sultan fort, „und vergesst nicht, mir morgen Bescheid zu bringen.“

Die Prinzen aber vergaßen es abermals, und der Sultan
nahm ihre Vergesslichkeit nicht übel, vielmehr zog er aus seiner Börse drei
kleine goldene Kugeln, steckte sie dem Prinzen Bahman in den Busen, und sprach
dabei lächelnd:

„Diese Kugeln werden verhindern, dass ihr heute zum
dritten Male das vergesst, was ihr mir zu Liebe tun sollt: Das Geräusch,
welches sie heute Abend machen werden, wenn du deinen Gürtel ablegst, wird euch
daran erinnern, im Fall ihr nicht schon vorher daran gedacht habt.“