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465. Nacht

„Ihr Herren,“ antwortete die Prinzessin,
„wenn ihr auf meine Rede geachtet habt, so müsst ihr bemerkt haben, dass
ich bei dem, was ich getan, keine andere Absicht gehabt habe, als meine Brüder
wieder zu erlagen. Wenn es euch also auch zu Gute gekommen ist, so seid ihr mir
keinen Dank dafür schuldig. Ich nehme euer Erbieten nur als einen Beweis der
Höflichkeit gegen mich an, und ich danke euch dafür, wie sich es gebührt.
übrigens betrachte ich euch, alle und jeden, für ebenso freie Leute, als ihr
vor eurem Unglück wart, und ich freue mich mit euch über das Glück, welches
euch durch meine Veranlassung zu Teil geworden ist. Aber lasst uns nicht länger
an einem Ort verweilen, wo es nichts gibt, was uns aufhalten kann, sondern wir
wollen zu Pferde steigen, und jeder in sein Land heimkehren.“

Die Prinzessin Parisade ging mit ihrem Beispiel voran, und
eilte zu ihrem Ross, welches sie auf derselben Stelle wieder fand, wo sie es
gelassen hatte. Bevor sie aufstieg, bat sie der Prinz Bahman, zu ihrer
Erleichterung, ihm den Käfig zu tragen zu geben.

„Mein Bruder,“ erwiderte die Prinzessin,
„der Vogel ist mein Sklave, ich will ihn selber tragen. Aber wenn du den
Zweig des singenden Baumes für mich tragen willst, da nimm ihn. Halte jedoch
den Käfig, und gib ihn mir wieder, wenn ich aufgestiegen bin.“

Als sie wieder zu Pferde saß, und der Prinz Bahman ihr
den Käfig mit dem Vogel gegeben hatte, wandte sie sich zu dem Prinzen Perwis
und sprach:

„Und du, mein Bruder Perwis, nimm die Flasche mit dem
tanzenden Wasser in deine Verwahrung, wenn es dir nicht beschwerlich ist.“

Der Prinz übernahm es mit großem Vergnügen.

Als nun die Prinzen Bahman und Perwis, und die anderen
Herren alle zu Pferde saßen, wartete die Prinzessin Parisade, dass einer von
ihnen sich an die Spitze stellen, und den Zug anheben sollte. Die beiden Prinzen
wollten den übrigen Herren aus Höflichkeit den Vorzug lassen, und diese
wiederum der Prinzessin. Als nun die Prinzessin sah, dass keiner von ihnen sich
diese Ehre zueignen, sondern jeder ihr dieselbe überlassen wollte, sprach sie
zu ihnen allen:

„Ihr Herren, ich warte darauf, dass ihr euch in
Bewegung setzt.“

„Edles Fräulein,“ antwortete einer, der ihr
zunächst war, im Namen aller, „wenn wir auch nicht wüssten, welche Ehre
eurem Geschlecht gebührt, so wären wir ohnedies schon bereit, euch jede
mögliche Ehre zu erweisen, nachdem ihr so viel für uns getan habt. Ungeachtet
eurer Bescheidenheit bitten wir euch, uns nicht länger des Glücks zu berauben,
euch zu folgen.“

„Herr,“ erwiderte hierauf die Prinzessin,
„ich verdiene nicht die Ehre, welche ihr mir erbietet, und ich nehme sie
nur an, weil es euer Wunsch ist.“

Zu gleicher Zeit hub sie den Zug an, und die beiden
Prinzen mit den übrigen Herren folgten ihr, in Haufen ohne Rangordnung.

Die Gesellschaft wollte im Vorbeireiten den Derwisch
begrüßen und ihm für seinen guten Empfang und heilsamen Rat, dessen Wahrheit
sie empfunden hatten, danken: Aber er war gestorben, und man hat nicht erfahren
können, ob aus Altersschwäche, oder weil er nicht mehr nötig war, den Weg
nach den drei Wunderdingen zu zeigen, welche nun die Prinzessin Parisade erobert
hatte.

Die Gesellschaft setzte also ihren Weg fort, aber sie
verminderte sich mit jedem Tag. Denn die Herren, welche, wie gesagt, aus
verschiedenen Ländern daher gekommen waren, nahmen, nachdem ein jeder der
Prinzessin seinen schuldigen Dank wiederholt hatte, Abschied von ihr und den
Prinzen ihren Brüdern, einer nach dem andern, so wie jeder an den Weg kam,
welchen er her geritten war. Die Prinzessin und die Prinzen Bahman und Perwis
ritten weiter bis nach Hause.