Project Description

447. Nacht

Der Gärtner geht hin, und vom Ufer des Kanals aus zieht
er mit einer Hacke, welche er in der Hand hatte, den Korb geschickt heran, nimmt
ihn heraus, und bringt ihn.

Der Aufseher der Gärten war höchst überrascht, als er
in dem Korb ein Kind eingewickelt fand, und zwar ein Kind, welches, ungeachtet
es sichtlich eben erst geboren war, dennoch schon Züge der größten Schönheit
an sich trug. Schon lange war der Aufseher der Gärten verheiratet, aber, wie
sehr er sich auch Nachkommenschaft gewünscht, doch hatte der Himmel noch immer
nicht seine Wünsche erfüllt.

Er unterbricht nun seinen Spaziergang und lässt sich von
dem Gärtner mit dem Korb und dem Kind folgen. Als er in sein Haus kam, welches
einen Ausgang in den Garten des Palastes hatte, trat er in das Zimmer seiner
Frau.

„Liebe Frau,“ sprach er, „wir hatten bisher
keine Kinder: Da ist eins, welches Gott uns beschert. Ich empfehle es euch.
Verschafft ihm schleunig eine Amme, und sorgt für ihn, wie für unseren eigenen
Sohn: Dafür erkenne ich ihn von heute an.“

Die Frau nahm das Kind mit Freuden an, und machte sich ein
großes Vergnügen daraus, sein zu pflegen.

Der Aufseher der Gärten wollte nicht nachforschen, woher
das Kind käme.

„Ich sehe wohl,“ sprach er bei sich selber,
„dass es von den Zimmern der Sultanin herkommt: Aber es steht mir nicht zu,
danach zu forschen, was dort vorgeht, noch an einem Ort Unruhe zu erregen, wo
der Friede so nötig ist.“

Im folgenden Jahr kam die Sultan wieder mit einem Prinzen
nieder. Die unnatürlichen Schwestern hatten mit ihm nicht mehr Mitleid, als mit
seinem älteren Bruder: Sie setzten ihn ebenfalls mit einem Korb auf dem Kanals
aus, und gaben vor, die Sultanin wäre von einer Katze entbunden.

Zum Glück für das Kind war der Aufseher der Gärten
gerade wieder am Kanal, ließ es herausholen und seiner Frau bringen, und
empfahl ihr dieselbe Sorgfalt dafür, wie bei dem ersten. Sie befolgte dies,
nicht minder aus eigener Zuneigung, als um die gute Absicht ihres Mannes zu
unterstützen.

Der Sultan von Persien war über diese Geburt der Sultanin
noch mehr entrüstet, als bei der ersten. Er hätte auch seinen Zorn deshalb
ausbrechen lassen, wenn die Gegenvorstellungen des Großwesirs nicht nochmals
eindringlich genug gewesen wären, ihn zu beruhigen.

Die Sultanin kam endlich zum dritten Mal nieder, aber
nicht von einem Prinzen, sondern von einer Prinzessin: Die Unschuldige hatte
dasselbe Schicksal, wie die Prinzen, ihre Brüder. Die beiden Schwestern, welche
ihren abscheulichen Anschlägen nicht eher ein Ziel zu setzen beschlossen
hatten, als bis sie ihre jüngste Schwester wenigstens verstoßen, weggejagt und
gedemütigt sähen, behandelten die Neugeborene ebenso, und setzten sie auf dem
Kanal aus.

Die Prinzessin wurde ebenfalls durch das Mitleid und die
Menschenliebe des Aufsehers der Gärten gerettet und dem gewissen Tod entrissen,
wie die beiden Prinzen, ihre Brüder, mit welchen sie gesäugt und aufgezogen
wurde.