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446. Nacht

„Herr, ich war gesonnen, hierin nur zu tun, was Euer
Majestät mir beföhle, weil ihr aber die Güte gehabt, die Augen auf meine
Schwester zu werfen, so danke ich euch für die Rücksicht, welche ihr, mir zu
Liebe, auf dieselben nehmt. Ich verhehle es nicht, dass ich meinerseits sie viel
lieber dazu annehme, als jede Fremde.“

Der Sultan Chosru-Schach ernannte demnach die beiden
Schwestern der Sultanin zum Hebammendienste bei ihr, und seitdem gingen beide im
Palast aus und ein, mit großer Freude, endlich eine erwünschte Gelegenheit
gefunden zu haben zur Ausführung der abscheulichen Bosheit, welche sie gegen
die Sultanin, ihre Schwester, ausgebrütet hatten.

Die Zeit der Niederkunft kam heran, und die Sultanin wurde
glücklich von einem Prinzen entbunden, schön wie der Tag. Aber weder seine
Schönheit noch seine Zartheit vermochten das Herz der erbarmungslosen
Schwestern zu rühren oder zu erweichen. Sie wickelten ihn nachlässig in
Windeln, legten ihn in einen kleinen Korb, und überließen diesen Korb dem
Strom eines Kanals, der unter dem Zimmer der Sultanin vorbei floss. Anstatt des
Knaben aber brachten sie einen jungen toten Hund zum Vorschein, und gaben vor,
die Sultanin hätte ihn geboren.

Diese ärgerliche Neuigkeit wurde auch dem Sultan
verkündigt, und der Sultan geriet darüber in einen Unwillen, welcher für die
Sultanin hätte verderblich werden können, wenn der Großwesir ihm nicht
vorgestellt hätte, dass Seine Majestät sie nicht, ohne Ungerechtigkeit, für
die seltsamen Spiele der Natur verantwortlich machen könnte.

Der Korb, in welchem der kleine Prinz ausgesetzt war,
schwamm unterdessen auf dem Kanal aus der Ringmauer, welche den Gesichtskreis
der Wohnung der Sultanin nach dieser Seite hin begrenzte, und trieb so weiter
durch den Garten des Palastes. Zufällig ging der Aufseher der Gärten, einer
der vornehmsten und angesehensten Reichsbeamten, im Garten längs des Kanals
hin: Er gewahrte den darin schwimmenden Korb, und rief einem in der Nähe
befindlichen Gärtner:

„Geh eilig,“ sprach er zu ihm, indem er darauf
hinzeigte, „und bringe mir diesen Korb, damit ich sehe, was darin
ist.“