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444. Nacht

Der Großwesir ließ, bei der Ausführung dieses Befehls
des Sultans am nächsten Morgen, den drei Schwestern nur so viel Zeit, sich
schleunig anzukleiden, um vor ihm erscheinen zu können, ohne ihnen weiter etwas
zu sagen, als dass Seine Majestät sie sehen wollte.

Er führte sie in den Palast und nachdem er sie dem Sultan
vorgestellt hatte, fragte sie dieser:

„Sagt mir, erinnert ihr euch noch der Wünsche,
welche ihr gestern Abend tatet, als ihr so guter Dinge wart? Verhehlt mir
nichts, ich will es wissen.“

Bei diesen unerwarteten Worten des Sultans gerieten die
drei Schwestern in große Verwirrung. Sie schlugen die Augen nieder, und die
aufsteigende Röte des Gesichts gab der Jüngsten einen Reiz, welcher vollends
das Herz des Sultans gewann. Da die Scham und die Furcht, den Sultan durch ihre
Unterredung beleidigt zu haben, sie verstummen machten, so sprach der Sultan,
der dies bemerkte, zu ihnen, um sie zu beruhigen:

„Fürchtet nichts: Ich habe euch nicht kommen lassen,
um euch Angst zu machen. Da ich sehe, dass die Frage, welche ich euch getan
habe, euch wider meinen Willen ängstigt, und ich schon weiß, was jede von euch
sich wünscht, so will ich euch beruhigen.

Du,“ fügte er hinzu, „die mich zum Gemahl zu
haben wünschte, du sollst noch heute befriedigt werden.

Und ihr,“ fuhr er fort, indem er sich ebenso zu der
ältesten und zweiten Schwester wandte, „ich erfülle auch eure Heirat mit
meinem Mundbäcker und mit meinem Küchenmeister.“

Sobald der Sultan seinen Willen erklärt hatte, warf die
jüngste Schwester, zum Beispiel der beiden älteren, sich dem Sultan zu
Füßen, um ihm ihre Erkenntlichkeit zu bezeigen.

„Herr,“ sprach sie, „mein Wunsch, welcher
nun einmal Euer Majestät bekannt geworden ist, geschah nur so zur Belustigung
und Unterhaltung: Ich bin der Ehre nicht würdig, welche ihr mir antut, und ich
bitte euch wegen meiner Kühnheit um Verzeihung.“

Die beiden älteren Schwestern wollten sich ebenso
entschuldigen, aber der Sultan unterbrach sie, und sprach:

„Nein, nein, es bleibt dabei: Der Wunsch einer jeden
von euch soll erfüllt werden.“

Die drei Hochzeiten wurden denselben Tag noch gefeiert,
wie der Sultan Chosru-Schach bestimmt hatte, aber auf sehr verschiedene Weise.
Die Hochzeit der jüngsten Schwester war mit allen Feierlichkeiten und
Freudenfesten begleitet, welche der Vermählung eines Sultans und einer Sultanin
von Persien zukamen. Dagegen die Hochzeiten der beiden älteren Schwestern nur
mit der Feierlichkeit begangen wurden, welche dem Rang ihres Gatten, das heißt,
das Mundbäckers und Küchenmeisters des Sultans gemäß war.

Die beiden älteren Schwestern fühlten sehr tief den
unermesslichen Abstand zwischen ihrer Heirat und der Vermählung ihrer jüngsten
Schwester. Und diese Betrachtung bewirkte denn auch, dass sie, weit entfernt mit
dem Glück, welches, ihren Wünschen gemäß, und weit über ihre Hoffnungen
hinaus, ihnen gewährt war, zufrieden zu sein, sich vielmehr dem heftigsten Neid
hingaben, welcher nicht allein ihre Freude trübte, sondern sogar der Sultanin,
ihrer jüngeren Schwester, großes Unglück und die kränkendsten Demütigungen
und Leiden verursachte. Sie hatten noch nicht Zeit gehabt, einander ihre
Gedanken über ihre, ihrer Meinung nach, ungerechte Zurücksetzung durch den
Sultan, mitzuteilen, weil sie sich sogleich auf die Hochzeitsfeier vorbereiten
mussten. Aber sobald sie sich einige Tage danach, in einem öffentlichen Bad,
wohin sie sich verabredet hatten, wieder sahen, sprach die älteste zu der
zweiten Schwester:

„Nun, meine Schwester, was sagst du zu unserer
jüngsten Schwester? Ist das nicht ein sauberes Ding von Sultanin?“