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440. Nacht

„Mein Prinz,“ erwiderte die Fee,
„beunruhigt euch nicht. Gefahr gab es bloß damals, als für euren Vater
Wasser aus der Löwenquelle geholt werden sollte, allein um den Mann zu finden,
den er verlangt, dabei gibt es keine Gefahr. Dieser Mann ist nämlich mein
Bruder Schaïbar, welcher, obwohl er mit mir einen und denselben Vater hat,
anstatt mir zu ähneln, vielmehr von einer so heftigen Gemütsart ist, dass
nichts im Stande ist, ihn zurückzuhalten, dass er nicht sogleich blutige
Beweise seines Rachegefühls gibt, sofern man ihm missfällt oder ihn beleidigt.
übrigens ist er der beste Mensch von der Welt, und stets bereit, gefällig zu
sein, worin man es irgend wünscht. Er ist ganz so gestaltet, wie der Sultan,
euer Vater, ihn beschrieben hat, und er trägt keine anderen Waffen als die
fünfhundert Pfund schwere Eisenstange, ohne die er niemals ausgeht, und die ihm
dazu dient, um sich in Respekt zu setzen. Ich werde ihn gleich kommen lassen und
ihr mögt dann selbst urteilen, ob ich wahr gesprochen habe. Doch vor allen
Dingen bereitet euch vor, dass ihr nicht von seiner seltsamen Figur erschreckt,
wenn ihr ihn werdet erscheinen sehen.“

„Meine Königin,“ nahm jetzt der Prinz Achmed
das Wort, „Schaïbar, sagt ihr, ist euer Bruder? Wie hässlich und
missgestaltet er auch immer sein mag, so ist doch dies einzige schon
hinreichend, um, anstatt vor ihm zu erschrecken, ihn vielmehr zu lieben, zu
ehren und als meinen nächsten Verwandten zu achten.“

Die Fee ließ sich in die Vorhalle ihres Palastes ein
goldenes Räucherpfännchen mit glühenden Kohlen und eine Kapsel von demselben
Metall bringen. Aus der Kapsel nahm sie wohlriechendes Räucherwerk, welches
darin verschlossen war, und als sie es in die Räucherpfanne geworfen, stieg ein
dicker Rauch daraus empor.

Einige Augenblicke nach diesem Verfahren sagte die Fee zu
dem Prinzen Achmed: „Mein Prinz, da kommt mein Bruder, seht ihr ihn?“

Der Prinz sah hin und erblickte Schaïbar, welcher nicht
mehr als anderthalb Fuß hoch war, und mit seiner fünfhundert Pfund schweren
Eisenstange und seinem stattlichen dreißig Fuß langen Bart, der sich nach vorn
zu aufstützte, feierlich einher geschritten kam. Sein verhältnismäßig dicker
Knebelbart war bis zu den Ohren aufgestülpt und bedeckte ihm fast das ganze
Gesicht. Seine Schweinsohren steckten tief im Kopf, der ungeheuer dick, und mit
einer nach oben spitzig zulaufenden Mütze bedeckt war. Außerdem war er noch
vorn und hinten bucklig.

Hätte der Prinz es nicht voraus erfahren gehabt, dass
Schaïbar der Bruder der Fee Pari Banu sei, so hätte er ihn nicht ohne das
größte Entsetzen ansehen können. Doch durch diese Nachricht beruhigt,
erwartete er mit der Fee ihn festen Fußes, und empfing ihn, ohne eine Spur von
Schwäche blicken zu lassen.

Schaïbar, der, je näher er kam, den Prinzen mit einem
Blick ansah, der ihm das Herz im Leibe hätte in Eis verwandeln können, fragte
die Fee gleich zuerst, wer der Mann da sei?