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439. Nacht

„Herr, hier ist das heilsame Wasser, welches Euer
Majestät in der Sammlung von Kostbarkeiten und Seltenheiten zu besitzen
wünschte, die eine Zierde eurer Schatzkammer sind. Ich wünsche euch übrigens
eine vollkommene Gesundheit, dass ihr niemals davon Gebrauch zu machen nötig
habt.“

Als der Prinz seine Anrede geendigt hatte, ließ der
Sultan ihn zu seiner Rechten Platz nehmen und sagte dann zu ihm:

„Mein Sohn, ich bin dir für dein Geschenk ebenso
großen Dank schuldig als die Gefahr gewesen ist, welcher du dich mir zu Liebe
ausgesetzt hast. (Er wusste dies nämlich durch die Zauberin, welche sowohl die
Löwenquelle als auch die Gefahr, welcher man sich beim Schöpfen aus derselben
aussetzen musste, sehr wohl kannte.) Tue mir jetzt den Gefallen,“ fuhr er
fort, „mir zu sagen, durch welche Geschicklichkeit oder durch welche
unglaubliche Kraft du dich dagegen sicher gestellt hast?“

„Herr,“ erwiderte der Prinz Achmed, „ich
habe an dieser Lobpreisung von Seiten Eurer Majestät nicht den mindesten
Anteil, sondern das Lob gebührt ganz allein meiner Gemahlin, der Fee, und ich
kann mir hierbei bloß den Ruhm beimessen, dass ich ihrem guten Rat gefolgt
bin.“

Hierauf setzte er ihm auseinander, worin diese guten
Ratschläge bestanden hätten, indem er ihm die ganze Reise, die er gemacht, und
wie er sich dabei benommen, erzählte. Als er damit zu Ende war, stand der
Sultan, der ihn mit den größten Freudenbezeugungen, doch innerlich mit
derselben, ja mit noch größerer Eifersucht angehört hatte, von seinem Sitz
auf, und zog sich in das Innere seines Palastes zurück, wo die Zauberin, nach
welcher er sogleich geschickt hatte, vor ihn geführt wurde.

Die Zauberin, als sie kam, ersparte dem Sultan die Mühe,
ihr die Geschichte des Prinzen Achmed und den Erfolg seiner Reise zu erzählen.
Sie war nämlich durch das Gerücht, das sich davon verbreitet hatte, gleich
anfangs davon unterrichtet worden, und hatte bereits ein, wie sie meinte,
unfehlbares Mittel ausgedacht. Sie teilte dies Mittel dem Sultan und den
folgenden Tag in der Versammlung seiner Hofleute mit, und der Sultan zeigte es
dem Prinzen Achmed mit folgenden Worten an.

„Mein Sohn, ich habe nur noch eine einzige Bitte an
dich, nach dieser will ich dann nichts mehr von deinem Gehorsam, noch von deiner
Gemahlin, der Fee, verlangen. Diese Bitte besteht darin, dass du mir einen Mann
herbeischaffst, der nicht über anderthalb Fuß hoch ist, einen Bart von
dreißig Fuß Länge hat, und der auf der Schulter eine fünfhundert Pfund
schwere Eisenstange trägt, die ihm als Stab dient, und welcher reden
kann.“

Der Prinz Achmed, welcher nicht glauben konnte, dass es
auf der Welt einen Menschen gäbe, der so wäre, wie sein Vater ihn verlangte,
wollte sich entschuldigen, doch der Sultan blieb bei seiner Forderung, indem er
ihm wiederholte, dass die Fee noch weit unglaublichere Dinge vermöge.

Den folgenden Tag, als der Prinz in das unterirdische
Reich der Fee zurückgekehrt war, teilte er derselben das neue Begehren seines
Vaters mit, welches er, wie er ihr sagte, für noch unmöglicher zu erfüllen
hielt, als die beiden früheren.

„Was mich anbetrifft,“ fuhr er fort, „so
kann ich mir nicht denken, dass es irgend in der Welt Leute der Art geben
könnte. Er will ohne Zweifel versuchen, ob ich wohl so einfältig sein werde,
mir viel Mühe zu geben, um ihm einen solchen aufzufinden, oder wenn es
dergleichen gibt, so muss er die Absicht haben, mich zu Grunde zu richten. In
der Tat, wie kann er auch verlangen, dass ich mich eines so kleinen Menschen,
der auf die besagte Art bewaffnet ist, bemächtigen solle? Welcher Waffen
könnte ich mich bedienen, um ihn zu zwingen, dass er sich meinem Willen füge?
Wenn es irgend ein Mittel gibt, so bitte ich euch, dass ihr mir ein solches an
die Hand gebt, um mich mit Ehren aus diesem Handel zu ziehen.“