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431. Nacht

Der Ausrufer wendete sich jetzt zu dem Prinzen und sagte
zu diesem:

„Herr, ihr seid nicht der einzige, der mich wegen
dieses Rohres für einen Thor ansieht. Doch ihr mögt selber urteilen, ob ich
einer bin, wenn ich euch die Eigenschaft desselben gesagt haben werde. Ich
hoffe, dass ihr dann ein ebenso hohes Gebot darauf tun werdet, wie diejenigen,
denen ich es bisher gezeigt, und die eine ebenso üble Meinung von mir hatten
als ihr.“

„Zuerst,“ fuhr der Ausrufer fort, indem er das
Rohr dem Prinzen überreichte, „müsst ihr wissen, dass dieses Rohr an
jedem Ende ein Glas hat, und dass, wenn man durch eines dieser Gläser sieht,
man alles sogleich erblickt, was man zu sehn irgend wünscht.“

„Ich bin bereit, euch eine feierliche Genugtuung zu
geben,“ erwiderte der Prinz Ali, „wenn ihr mir die Wahrheit dessen,
was ihr behauptet, dartun könntet.“ Da er das Glas in der Hand hatte, so
besah er sich die beiden Gläser und fuhr dann fort: „Zeigt mir doch, wo
ich hineinsehen muss, um mir darüber Aufklärung zu verschaffen.“

Der Ausrufer zeigte es ihm. Der Prinz sah hinein, und als
er seinen Vater, den Sultan von Indien zu sehen wünschte, so sah er ihn
augenblicklich in der vollkommensten Gesundheit in der Mitte seiner
Ratsversammlung auf dem Thron sitzen. Sodann, da er nächst dem Sultan auf der
Welt nichts lieber hatte als die Prinzessin Nurunnihar, so wünschte er auch
diese zu sehen, und sogleich erblickte er sie an ihrem Putztisch sitzend,
umgeben von ihren Frauen, lachend und in der heitersten Laune.

Es bedurfte keiner Probe weiter, um den Prinzen zu
überzeugen, dass dieses Rohr die kostbarste Sache wäre, die in der Stadt
Schiras, ja in der ganzen Welt damals existierte, und er glaubte, dass wenn er
diese zu kaufen unterließe, so würde er nie mehr, weder zu Schiras, wenn er
auch zehn Jahre da bliebe, noch auch anderswo eine Seltenheit der Art antreffen,
die er von seiner Reise mitbringen könnte. Er sagte daher zu dem Ausrufer:

„Ich nehme meine unvernünftige Ansicht, die ich von
eurem Verstand gehabt habe, gern zurück, und glaube, dass ihr mit der
Genugtuung, die ich euch dadurch zu geben gedenke, dass ich das Rohr selber
kaufe, völlig zufrieden sein werdet. Da es mir Leid tun würde, wenn ein
anderer, als ich, es an sich kaufte, so sagt mir aufs genaueste den Preis, den
der Verkäufer dafür haben will. Ohne euch mit Hin- und Hergehen zu ermüden,
dürft ihr dann nur mit mir kommen, und ich werde euch die Summe bar
auszahlen.“

Der Ausrufer versicherte ihn mit einem Schwur, ihm sei
befohlen, es durchaus für vierzig Beutel zu verkaufen, und sofern er daran
zweifelte, so wollte er ihn zu dem Verkäufer selber führen. Der Prinz glaubte
seinem Wort, nahm ihn mit sich nach Hause, und als sie in seiner Wohnung in dem
Kan angelangt waren, so zahlte er ihm die vierzig Beutel in den schönsten
Goldstücken aus, und wurde so Besitzer des elfenbeinernen Rohres.

Als der Prinz Ali diesen Kauf gemacht hatte, so freute er
sich umso mehr darüber, da er glaubte, dass seine zwei andern Brüder gewiss
nichts so Seltenes und Bewunderungswürdiges angetroffen haben würden, und dass
folglich die Prinzessin Nurunnihar der Lohn für die Beschwerden seiner Reise
sein werde. Er dachte jetzt bloß noch darauf, unerkannt den Hof von Persien und
die Merkwürdigkeiten der Stadt Schiras und ihrer Umgegend kennen zu lernen, bis
dann die Karawane, mit welcher er gekommen war, wieder ihren Rückweg nach
Indien antreten würde. Er hatte seine Neugierde vollkommen befriedigt, als die
Karawane Anstalten zur Abreise machte. Der Prinz unterließ nicht, sich an sie
anzuschließen, und machte sich mit ihr auf den Weg. Kein Unfall störte oder
unterbrach die Reise, und ohne weitere Unbequemlichkeit, außer den
gewöhnlichen Beschwerden des Weges, kam er glücklich an den bestimmten Ort an,
wo der Prinz Hussain bereits eingetroffen war. Der Prinz Ali fand diesen schon
vor, und wartete mit ihm dort auf den Prinzen Achmed.