Project Description

412. Nacht

Nach dem Nachtisch standen die Fee Pari Banu und der Prinz
Achmed von der Tafel auf, die sogleich weggetragen wurde, und setzten sich ganz
bequem auf das Sofa hin, indem sie den Rücken an Polster von Seidenstoff
lehnten, die mit großem, vielfarbigem Blumenwerk, alles von er feinsten
Stickerei, bedeckt waren. Sogleich trat nun eine große Anzahl von Geistern und
Feen in den Saal und begannen einen herrlichen Tanz, welcher so lange dauerte,
bis die Fee und der Prinz Achmed aufstanden. Dann gingen die Geister und Feen
tanzend aus dem Saal hinaus und zogen vor den Neuvermählten her bis an die Tür
des Zimmers, wo das hochzeitliche Lager bereitet war. Als sie da angekommen
waren, stellten sie sich in Reihen, um die Beiden hindurch gehen zu lassen,
worauf sie sich entfernten, und beiden die Freiheit ließen, sich zu Bett zu
legen.

Das Hochzeitsfest dauerte auch den folgenden Tag noch
fort, oder vielmehr die nächstfolgenden Tage waren ein ununterbrochenes Fest,
in welches die Fee Pari Banu, der es sehr leicht war, die größte
Mannigfaltigkeit zu bringen wusste, durch neue Speisen und Gerichte bei den
Mahlzeiten, durch neue Konzerte, neue Tänze, neue Schauspiele und neue
Ergötzlichkeiten, die alle so außerordentlich waren, dass der Prinz Achmed
während seines ganzen Lebens unter den Menschen, und hätte es auch tausend
Jahre gedauert, sich dergleichen nicht hätte erdenken können.

Die Absicht der Fee war nicht bloß dem Prinzen sichere
Beweise ihrer aufrichtigen Liebe und ihrer innigen Zuneigung zu geben, sondern
sie wollte ihm auch dadurch recht fühlbar machen, dass er, da er ja doch am Hof
seines Vaters keine Ansprüche mehr zu machen habe, und er an keinem Ort in der
Welt, um von ihrer Schönheit und ihren Reizen zu schweigen, etwas antreffen
würde, was mit dem Glück, das er bei ihr genoss, nur irgend vergleichbar
wäre, sich daher ganz an sie schließen und sich nie mehr von ihr trennen
müsse. Sie erreichte auch vollkommen ihre Absicht. Die Liebe des Prinzen Achmed
wurde durch ihren Besitz nicht vermindert, sondern sie stieg vielmehr bis zu dem
Grad, dass es nicht mehr in seiner Gewalt stand, von seiner Liebe zu ihr
abzulassen, auch wenn sie jemals sich hätte entschließen können,
gleichgültig gegen ihn zu werden.

Nach Verlauf von sechs Monaten fühlte endlich der Prinz
Achmed, welcher stets den Sultan, seinen Vater, geliebt und verehrt hatte, ein
heftiges Verlangen, von ihm einige Nachricht zu hören, und da er dasselbe nicht
anders befriedigen konnte, als wenn er sich auf einige Zeit entfernte, um
persönlich Nachricht einzuziehen, so sprach er einst im Laufe des Gesprächs
mit Pari Banu darüber, und bat sie, ihm dies zu gestatten. Diese äußerung
beunruhigte die Fee, und da sie fürchtete, es sei dies nur ein bloßer Vorwand,
um sie zu verlassen, so sagte sie zu ihm:

„Worin habe ich denn euer Missfallen erregt, dass ihr
euch gedrungen fühlt, mich um diese Erlaubnis zu bitten? Sollte es möglich
sein, dass ihr euer mir gegebenes Wort vergessen hättet und mich nicht mehr
liebt, die ich euch doch so zärtlich liebe, wie ihr aus den Beweisen, die ich
euch ohne Unterlass davon gebe, ersehen könnt?“

„Meine Königin,“ erwiderte der Prinz Achmed,
„ich bin von eurer Liebe vollkommen überzeugt, und ich würde mich
derselben unwürdig machen, wenn ich euch nicht meine Dankbarkeit dafür durch
Gegenliebe an den Tag legte. Wenn ihr durch meine Bitte beleidigt worden seid,
so bitte ich euch deshalb um Verzeihung, und bin bereit, euch jede Genugtuung
dafür zu geben. Ich tat sie nicht um euch zu kränken, sondern bloß aus einer
inneren Ehrfurcht für meinen Vater, den Sultan, den ich gern von seiner
Betrübnis zu befreien wünschte, worin ich ihn durch eine so lange Abwesenheit
unfehlbar versetzt habe. Denn ich habe Grund zu vermuten, dass er mich für tot
hält. Da ihr indessen es nicht genehmigt, dass ich hingehe und ihm diesen Trost
gewähre, so will ich, was ihr wollt, und es gibt nichts auf der Welt, das ich
nicht zu tun bereit bin, um mich euch gefällig zu beweisen.“

Der Prinz Achmed, der sich nicht verstellte und sie in
seinem Herzen wirklich so heiß liebte, als er sie so eben versichert hatte,
drang nicht weiter in sie, um von ihr die gewünschte Erlaubnis zu erhalten, und
die Fee zeigte ihm, wie sehr sie über seine Nachgiebigkeit erfreut sei. Da er
indessen seinen Plan doch nicht ganz aufgeben konnte, so unterhielt er sie
absichtlich von Zeit zu Zeit von den schönen Eigenschaften des Sultans von
Indien, und besonders von den Beweisen von Zärtlichkeit, die dieser ihm stets
gegeben, und hoffte sie dadurch am Ende doch noch zu erweichen.

übrigens verhielt es sich wirklich so, wie der Prinz
Achmed es vermutet hatte. Der Sultan von Indien war mitten unter den
Lustbarkeiten bei der Hochzeit des Prinzen Ali und der Prinzessin Nurunnihar
durch die Entfernung seiner beiden Söhne tief betrübt worden. Es dauerte nicht
lange, so erfuhr er den Entschluss, den der Prinz Hussain gefasst hatte, die
Welt zu verlassen, und den Ort, den er sich zu seinem künftigen Aufenthalt
gewählt hatte. Als ein guter Vater, der einen Teil seines Glücks darin setzt,
seine Kinder um sich zu sehen, besonders wenn sie sich seiner Liebe würdig
beweisen, hätte er es freilich lieber gesehen, wenn er am Hof und um ihn
geblieben wäre. Da er indessen es nicht missbilligen konnte, dass er sich
diesen Stand einer immer höheren Vervollkommnung, wozu er sich verpflichtet
hatte, gewählt habe, so ertrug er seine Abwesenheit mit Geduld. Er wendete alle
mögliche Sorgfalt an, um Nachricht von dem Prinzen Achmed zu erhalten. Er
fertigte Eilboten in alle Provinzen seines Reiches ab, mit dem Befehl an die
Statthalter, ihn anzuhalten und zur Rückkehr an den Hof zu nötigen. Doch alle
Mühe, die er sich gab, hatte nicht den erhofften Erfolg, und sein Kummer wurde,
anstatt abzunehmen, nur noch größer. Oft besprach er sich darüber mit seinem
Großwesir.

„Wesir,“ sprach er einst zu ihm, „Du
weißt, dass Achmed derjenige unter meinen Söhnen ist, den ich immer am
zärtlichsten geliebt habe, und du weißt, welche Mittel und Wege ich
eingeschlagen habe, um ihn wieder zu finden, doch stets ohne Erfolg. Der Schmerz,
den ich darüber empfinde, ist so lebhaft, dass ich ihm am Ende erliegen werde,
wenn du nicht Mitleid mit mir hast. Sofern dir nur irgend meine längere
Erhaltung am Herzen liegt, so beschwöre ich dich, dass du mich mit deinem
Beistand und deinem Rat unterstütztest.“