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397. Nacht

Den folgenden Morgen war das erste, was die Prinzessin
nach ihrem Erwachen tat, dass sie sich an ihren Putztisch setzte. Sie hatte
bisher noch nie so große Sorgfalt auf ihren Kopfschmuck und Putz verwendet, und
noch nie hatten ihre Frauen so viel Geduld nötig gehabt, um eine und dieselbe
Sache wiederholt zu machen, bis sie damit zufrieden war.

„Ich habe, wie ich wohl bemerken konnte, dem Prinzen
von Persien in meinem Nachtkleid nicht missfallen,“ sagte sie bei sich
selbst, „was wird er sich erst wundern, wenn er mich in meinem vollen
Staate sehen wird?“

Sie legte nun einen Kopfschmuck von den größten
Brillanten, desgleichen ein Halsband, Armbänder, und einen Gürtel von eben
denselben Edelsteinen an, – alles Stücke von unschätzbarem Wert. Das Kleid,
welches sie anzog, war von dem reichsten indischen Stoff, wie man ihn nur für
Könige, Prinzen und Prinzessinnen anfertigt, und von einer Farbe, welche ihre
Reize vollends auf das vorteilhafteste erhöhte. Nachdem sie noch ihren Spiegel
wiederholt zu Rate gezogen und ihre Frauen einzeln befragt hatte, ob ihr irgend
etwas zu ihrem vollständigen Putz fehle, ließ sie sich erkundigen, ob der
Prinz von Persien schon wach sei, und da sie nicht zweifelte, dass er sich ihr
vorzustellen wünschen würde, so ließ sie ihm melden, dass sie selber kommen
würde, und dass sie ihre Gründe habe, um so zu handeln.

Der Prinz von Persien, der so tief in den Tag
hinein geschlafen hatte, als ihm vom Nachtschlaf entzogen worden war, und der
sich von seiner beschwerlichen Reise vollkommen erholt hatte, war so eben mit
dem Ankleiden fertig, als er den Morgengruß der Prinzessin durch eine ihrer
Frauen empfing.

Der Prinz ließ der Kammerfrau gar nicht erst Zeit, ihm
das mitzuteilen, was sie an ihn auszurichten hatte, sondern fragte sie sogleich,
ob die Prinzessin ihm wohl erlauben wolle, ihr seine Aufwartung zu machen und
ihr seine Ehrerbietung an den Tag zu legen. Doch als die Kammerfrau ihren
Auftrag ausgerichtet hatte, erwiderte er:

„Die Prinzessin darf bloß befehlen, und ich bin
bloß hier, um ihre Befehle zu vollziehen.“

Die Prinzessin von Bengalen hatte kaum erfahren, dass der
Prinz von Persien sie erwarte, als sie ihm auch schon ihren Besuch abstattete.
Nach den ersten gegenseitigen Begrüßungen, nachdem nämlich der Prinz
seinerseits tausend Mal um Entschuldigung gebeten, dass er sie im ersten Schlaf
gestört habe, die Prinzessin dagegen ihn gefragt hatte, wie er die Nacht
zugebracht und wie er sich befinde, setzte sich die Prinzessin auf das Sofa, und
der Prinz ebenfalls, jedoch in einer ehrerbietigen Ferne von ihr.