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380. Nacht

Baba Mustafa machte sich nun zur großen Freude des
Räubers auf, und ohne seinen Laden zu verschließen, worin er nichts
bedeutendes zu verlieren hatte, führte er den Räuber bis zu dem Ort hin, wo
ihm Morgiane die Augen verbunden. Als sie auf der Stelle angekommen waren, sagte
Baba Mustafa. „Hier war es wo man mir die Augen verband, und ich war gerade
mit dem Gesicht nach der Seite hingekehrt wie jetzt.“ Der Räuber, der sein
Schnupftuch schon in Bereitschaft hielt, befestigte es ihm vor die Augen, und
ging dann neben ihm her, teils ihn führend, teils sich von ihm führen lassen,
bis er endlich stehen blieb.

„Mich dünkt,“ sagte nun Baba Mustafa,
„dass ich nicht weiter damals gekommen bin.“ Und wirklich befand er
sich vor Kassims Haus, worin jetzt Ali Baba wohnte. Der Räuber machte, bevor er
ihm das Schnupftuch abnahm, schnell ein Zeichen mit Kreide an die Haustür.
Sodann nahm er ihm das Tuch ab und fragte ihn, ob er wisse, wem dies Haus
gehöre? Baba Mustafa antwortete, er gehöre nicht in dieses Viertel, und so
könne er ihm auch nichts darüber sagen.

Da der Räuber sah, er könne von Baba Mustafa nichts
weiter herausbringen, so dankte er ihm für seine Bemühung, und nachdem er ihn
verlassen und in seinen Laden zurückkehren gelassen hatte, nahm er wieder
seinen Weg nach dem Wald zurück, in der überzeugung, das er da gut aufgenommen
werden würde.

Kurze Zeit nachher, als der Räuber und Baba Mustafa sich
getrennt hatten, kam Morgiane in irgend einer Verrichtung aus dem Haus Ali Babas
heraus, und als sie wieder dahin zurückkehrte, bemerkte sie das Zeichen,
welches der Räuber an die Tür gemacht hatte. Sie blieb stehen und betrachtete
es aufmerksam.

„Was soll dies Zeichen bedeuten?“, sprach sie
bei sich selbst. „Will jemand meinem Herrn ein Leid zufügen, oder hat man
es bloß zum Scherz gemacht? Indessen aus welcher Absicht man es auch immer
gemacht haben mag,“ fuhr sie fort, „es ist gut, sich für jeden Fall
sicher zu stellen.“

Sie nahm nun sogleich Kreide, und da die zwei oder drei
vorhergehenden und dahinter folgenden Türen fast ganz ebenso aussahen, so
bezeichnete sie dieselben an eben der Stelle, und ging sodann in das Haus
hinein, ohne weder ihrem Herrn noch ihrer Gebieterin das mindeste davon zu
sagen.

Der Räuber setzte unterdessen seinen Weg nach dem Wald
fort, und kam sehr zeitig wieder bei der übrigen Gesellschaft an. Bei seiner
Ankunft stattete er von dem glücklichen Erfolg seiner Sendung Bericht ab, indem
er über die Maßen das Glück pries, welches er gehabt habe, dass er gleich
Anfangs den Mann gefunden, von dem er die Tatsache erfahren, nach welcher er
sich hatte erkundigen sollen. Man hörte ihn mit Vergnügen an. Sodann nahm der
Hauptmann das Wort, lobte seinen Eifer und sagte hierauf, zu der ganzen Bande
sich wendend: „Kameraden, wir haben jetzt keine Zeit zu verlieren. Lasst
uns bewaffnet aufbrechen, doch ohne dass man es uns anmerkt. Wenn wir dann
einzeln einer nach dem andern, um keinen Verdacht zu erwecken, in die Stadt
eingedrungen sind, so mögt ihr von den verschiedenen Seiten her auf dem großen
Platz zusammentreffen, während ich mit unserem Kameraden, der uns soeben diese
gute Nachricht gebracht hat, das Haus auszukundschaften suche, um danach die
für uns zweckmäßigsten Maßregeln nehmen zu können.“

Die Rede des Hauptmanns wurde mit lautem Beifall
aufgenommen, und sie waren bald reisefertig. Sei zogen nun zu Zweien und dreien
von dannen, und da sie sich immer in gehörigen Entfernungen voneinander
hielten, so gelangten sie, ohne Verdacht zu erregen, in die Stadt. Der Hauptmann
und der, welcher erst diesen Morgen zurückgekehrt war, trafen zuletzt dort ein.
Dieser führte den Hauptmann in die Straße, wo er das Haus Ali Babas mit Kreide
bezeichnet hatte, und als er an der einen Haustür war, welche von Morgiane
weiß bezeichnet war, machte er ihn darauf aufmerksam und sagte, dies sei die
rechte. Doch als sie ihren Weg, um sich nicht verdächtig zu machen, ohne
Aufenthalt fortsetzten, und der Hauptmann bemerkte, dass die folgende Tür mit
demselben Merkzeichen und zwar an eben derselben Stelle versehen war, machte er
seinen Führer darauf aufmerksam und fragte ihn: Ob es dies oder das vorige
wäre? Der Führer wurde verwirrt, und wusste gar nicht zu antworten, besonders
als er nebst dem Hauptmann sah, dass die vier oder fünf folgenden Türen
dasselbe Zeichen hatten. Er versicherte dem Hauptmann mit einem Schwur, dass er
bloß eine einzige bezeichnet habe. „Ich, weiß nicht,“ fuhr er fort,
„wer die übrigen auf eine so ähnliche Weise bezeichnet haben mag: Doch in
dieser Verwirrung muss ich gestehen, dass ich dasjenige, welches ich bezeichnet
habe, nicht mehr herausfinden kann.“

Der Hauptmann, der seinen Plan vereitelt sah, begab sich
nach dem großen Platz, wo er seinen Leuten durch den ersten besten, der ihm
begegnete, sagen ließ, dass diesmal ihre Mühe vergebens und ihre ganze Reise
fruchtlos unternommen worden sei, und dass jetzt kein anderer Entschluss zu
fassen sei, als der, den Rückweg nach ihrem gemeinschaftlichen Zufluchtsort
anzutreten. Er selbst ging ihnen mit diesem Beispiel voran, und sie folgten ihm
alle in derselben Ordnung, in welcher sie gekommen waren.