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370. Nacht

Der Jude war sehr früh schon nach dem Juwelierplatz in
seinen Laden gegangen. Die Jüdin eilte ihm nach und meldete ihm die Entdeckung,
die sie gemacht hatte. Zugleich beschrieb sie ihm die Größe, das ungefähre
Gewicht, die Schönheit, den Glanz und das schöne Wasser des Diamanten, und vor
allen Dingen seine Eigenschaft, bei Nacht zu leuchten, wie meine Frau in ihrer
naiven Erzählung ihr versichert hatte.

Der Jude schickte seine Frau sogleich zurück, mit dem
Befehl, mit der meinigen zu unterhandeln, ihr anfangs nur wenig darauf zu
bieten, sodann, je nachdem sie größere Schwierigkeiten fände, immer höher zu
gehen, und endlich den Handel um jeden Preis abzuschließen.

Die Jüdin sprach dem Befehl ihres Mannes zufolge mit
meiner Frau bei Seite, ohne zu erwarten, dass sie sich zum Verkauf des Diamanten
entschlossen haben würde, und fragte sie, ob sie zwanzig Goldstücke dafür
haben wolle? Für ein Stück Glas – denn dafür hielt sie es – fand meine Frau
die gebotene Summe sehr ansehnlich. Doch wollte sie weder ja noch nein sagen,
sondern äußerte bloß gegen die Jüdin, dass sie darauf nicht eher hören
könnte, als bis sie mit mir zuvor gesprochen haben würde.

Mittlerweile kam ich eben von meiner Arbeit, und wollte in
meiner Wohnung zu Mittag essen, als die beiden noch immer an der Tür
miteinander sprachen. Meine Frau rief mich an und fragte mich, ob ich es wohl
genehmigte, wenn sie das Glasstück, das sie im Bauch des Fisches gefunden, für
zwanzig Goldstücke verkaufte, die unsere Nachbarin, die Jüdin, soeben darauf
geboten habe.

Ich gab nicht sogleich eine entscheidende Antwort, sondern
dachte an die Zuversicht, womit Saadi bei überreichung des Stückes Blei mir
versprochen hatte, dass es dereinst mein Glück machen würde. Die Jüdin
glaubte, ich antwortete bloß darum nicht, weil ich ihr Gebot verschmähte, und
sagte daher: „Nachbar, ich werde euch fünfzig dafür geben. Seid ihr damit
zufrieden?“

Da ich sah, dass die Jüdin von zwanzig Goldstücken so
schnell auf fünfzig stieg, so hielt ich fest darauf, und sagte ihr, sie sei
noch sehr weit von dem Preis entfernt, um welchen ich es zu verkaufen gesonnen
sei.

„Nachbar,“ sagte sie hierauf, „nehmt
hundert Goldstücke dafür. Das ist gewiss sehr viel, und ich weiß selbst nicht
einmal, ob mein Mann es gut heißen wird.“

Bei dieser neuen Steigerung sagte ich zu ihr, dass ich
hunderttausend Goldstücke dafür haben wollte, obwohl ich recht gut wüsste,
dass der Diamant weit mehr wert sei. Indessen um ihr und ihrem Mann, als
Nachbarsleuten, gefällig zu sein, so wolle ich mich auf diese Summe
beschränken, die ich aber durchaus haben müsse, und wenn sie ihn um diesen
Preis nicht möchten, so würden mir andere Juweliere schon noch mehr dafür
geben.

Die Jüdin bestärkte mich noch mehr in meinem gefassten
Entschluss, durch den Eifer, womit sie den Handel abzuschließen suchte, indem
sie mir zu wiederholten Malen bis zu fünfzigtausend Goldstücken bot, die ich
aber nicht annahm.

„Ich kann,“ sagte sie, „ohne Zustimmung
meines Mannes nicht mehr bieten. Er wird erst diesen Abend heimkommen, und die
einzige Gefälligkeit, die ich mir von euch ausbitte, ist die, dass ihr so lange
Geduld habt, bis er mit euch gesprochen, und den Diamanten gesehen haben
wird.“ Was ich ihr denn auch versprach.

Als der Jude des Abends heimkam, erfuhr er von seiner
Frau, dass sie in ihrer Unterhandlung mit mir und meiner Frau noch nicht zum
Ziel gelangt sei, dass sie mir fünfzigtausend Goldstücke geboten, und um
welche Gefälligkeit sie mich ersucht habe.

Der Jude gab auf die Zeit acht, wo ich meine Arbeit
verließ und nach Hause zurückkehrte. „Nachbar Hassan,“ rief er mich
unterwegs an, „ich bitte euch, zeigt mir doch den Diamanten, den eure Frau
der meinigen gewiesen.“ Ich forderte ihn auf, herein zu treten, und zeigte
ihm denselben.

Da es bereits dämmerte und die Lampe noch nicht
angezündet war, so er kannte er sogleich aus dem Schein, den der Diamant von
sich strahlte, und aus seinem gewaltigen Glanz, wovon meine Hand ganz erleuchtet
war, dass seine Frau ihm eine sehr richtige Schilderung davon gemacht hatte. Er
nahm ihn in die Hand, besichtige ihn eine lange Weile, und konnte gar nicht
aufhören, ihn zu bewundern. „Nun lieber Nachbar,“ sagte er darauf,
„meine Frau hat, wie sie mir gesagt hat, euch fünfzigtausend Goldstücke
geboten, damit ihr nun zufrieden seid, biete ich euch noch zwanzigtausend
mehr.“

„Nachbar,“ antwortete ich, „eure Frau wird
euch vielleicht gesagt haben, dass ich ihn auf hunderttausend Goldstücke
gesetzt habe. Entweder gebt mir nun so viel, oder der Diamant bleibt in meinen
Händen. Hier ist kein Mittelweg weiter.“

Er handelte noch eine Weile, in der Hoffnung, dass ich ihm
noch etwas herunterlassen würde. Indessen richtete er bei mir nichts aus, und
aus Furcht, dass ich den Diamanten nicht etwa anderen Juwelieren zeigen möchte,
was ich auch wirklich getan haben würde, verließ er mich nicht eher, als bis
ich den Handel um den verlangten Preis abgeschlossen hatte. Zugleich sagte er
mir, er habe zwar die hunderttausend Goldstücke nicht bar bei sich zu Hause, er
werde mir aber den folgenden Tag um dieselbe Stunde und noch früher die ganze
Summe überreichen, und damit der Kauf ganz fest stünde, brachte er noch an
demselben Abend zwei Beutel, jeden mit tausend Goldstücken.

Als nun so der Verkauf des Diamanten geschehen und ich
über alle Erwartung reich geworden war, dankte ich Gott für seine an mir
bewiesene Güte und Milde, und ich würde jetzt zu Saad hingeeilt sein, und mich
ihm aus Dankbarkeit zu Füßen geworfen haben, wenn ich gewusst hätte, wo er
wohnte. Ein gleiches hätte ich gegen Saadi getan, dem ich die erste
Verpflichtung für mein Glück schuldig war, obschon ihm sein guter Plan, den er
mit mir vor hatte, nicht gelungen war.

Ich dachte nun daran, wie ich eine so bedeutende Summe am
besten anwenden könnte. Meine Frau, deren Kopf von der gewöhnlichen Eitelkeit
ihres Geschlechts erfüllt war, schlug mir sogleich vor, kostbare Kleider für
sie und ihre Kinder, ferner ein Haus zu kaufen und es reich auszuschmücken.

„Liebe Frau,“ sagte ich zu ihr, „wir
müssen nicht mit solchem Aufwand anfangen. Verlasse dich auf mich. Was du da
verlangst, wird mit der Zeit auch schon kommen. Obwohl das Geld bloß dazu da
ist, um es auszugeben, so muss man dabei doch so verfahren, dass davon ein
Kapital gebildet werde, dessen Ertrag man genießen kann, ohne vom Ganzen zu
zehren. Daran denke ich nun jetzt, und von morgen an werde ich anfangen, dieses
Kapital anzulegen.

Den folgenden Tag wendete ich ganz dazu an, dass ich zu
einer ziemlichen Anzahl von Leuten meines Gewerbes, die in keinen bessern
Umständen waren, als ich bisher gewesen war, ging, und indem ich ihnen Geld
vorschoss, verpflichtete ich sie, jeden nach seiner Geschicklichkeit und
Fähigkeit, allerlei Arten von Seilerarbeit für mich zu arbeiten, mit dem
Versprechen, dass ich sie nicht warten lassen, sondern, so wie sie mir ihre
Arbeit bringen würden, sie pünktlich und gut dafür bezahlen würde. Den
nächstfolgenden Tag forderte ich vollends die noch übrigen Seiler dieser
Klasse auf, für mich zu arbeiten, und seitdem sind alle Leute dieses Gewerbes
in ganz Bagdad für mich in Arbeit, und sehr zufrieden mit der Pünktlichkeit,
womit ich mein ihnen gegebenes Wort zu erfüllen pflege.

Da eine so große Zahl von Handwerksleuten eine
verhältnismäßig bedeutende Menge an Arbeit fertig machen musste, so mietete
ich mir an verschiedenen Orten Lagerhäuser, und in jedes derselben setzte ich
einen Faktor, sowohl für den Empfang der angefertigten Arbeit, als auch für
den Verkauf im Ganzen wie im Einzelnen, durch welche Errichtung ich mir sehr
bald einen bedeutenden Gewinn und eine ansehnliche Einnahme verschaffte.

In der Folge kaufte ich, um meine vielen zerstreuten
Warenlager auf einem einzigen Punkt zu vereinigen, ein großes Haus, das sehr
weitläufig, aber höchst baufällig war. Ich ließ es niederreißen, und an der
Stelle desselben das ausführen, welches euer Majestät gestern sah. Doch wie
stattlich auch immer das äußere desselben aussehen mag, so besteht es doch nur
aus großen Warenböden, die ich bedarf, und aus Wohnzimmern, die ich für mich
und für meine Familie brauche.